Geliebter Boss
Philharmoniker eine Bruckner-Messe oder das Te Deum von Haydn spielen — ein Portier im Imperial muß über alles Bescheid wissen, zu welcher Stunde die Lipizzaner im Dressursaal der Hofstallung erscheinen, wann die berühmten Bilder im Belvedere, die Amerlings , die Waldmüllers, die zarten Fendis im besten Licht hängen, der Portier muß über die Schätze in der Schatzkammer der kaiserlichen Hofburg genauso Bescheid wissen wie über die Gaststätten, wo man in Wien den besten Tafelspitz und das saftigste Beinfleisch vorgesetzt bekommt.
Es war für den jungen Göller gar nicht leicht gewesen, hier festen Fuß zu fassen, aber der alte Riederle, der Erste Portier des Hotels, hatte ihm dabei geholfen, wo er nur konnte, und noch jemand, die Blumenbinderin des Hotels, seit vierzig Jahren im Haus, die alte Anna Wessely, nur dazu angestellt, Blumen zu binden; die großen Sträuße der Halle, die kleinen Sträuße für die Tische des goldenen Speisesaals, und in die Zimmer der Stammgäste bei ihrer Ankunft ein Blumenarrangement zu stellen, von einer Schönheit, wie man Blumen eben nur in Wien zu binden versteht.
»Hat Peter Zanders sein altes Zimmer bekommen?« fragt Direktor Littich . Der junge Portier erschrickt.
»Peter Zanders?« fragt er und beginnt in seiner Liste zu suchen.
»Er hat vor drei Tagen bestellt, und ich habe die Bestellung selbst in der Hand gehabt.«
»Mir ist nichts davon bekannt.«
»Geben Sie mir Ihre Liste her!«
Er blickt kurz hinein.
»Na also — ist ja eingetragen —, Zimmer 458 — Peter Saussen ...«
Der junge Göller fragt verwirrt:
»Verzeihung — fragten Sie nicht nach Peter Zanders?«
Direktor Littich sagt ungeduldig:
»Wie lange sind Sie schon bei uns? Wissen Sie immer noch nicht, daß Peter Zanders und Peter Saussen eine Person sind? Haben Sie nie von dem früheren Rennfahrer Peter Saussen gehört, der heute zu unseren bekanntesten Testfahrern zählt?«
»Ich wußte nicht...«
»Dann wissen Sie es hoffentlich jetzt. Peter Zanders war in der Wahl seiner Eltern so vorsichtig, daß sein Vater ihm beim Ableben ein ganzes Bankhaus hinterließ, übrigens das gleiche Bankhaus, mit dessen Wiener Filiale auch unser Hotel arbeitet. Es ist klar, daß Peter Zanders sich für seinen Sport einen anderen Namen zulegen mußte, um ernstgenommen zu werden. Herr Zanders wünscht also nicht, mit Peter Zanders angeredet zu werden, sondern mit Peter Saussen. Er hat auch einen Paß auf diesen Namen.«
Der junge Portier holt eine Depesche hervor.
»Und das zweite Zimmer für Herrn Saussen?« fragt er. Er reicht die Depesche hinüber.
»Sie ist gestern nacht in München am Hauptbahnhof aufgegeben worden«, sagt er.
»Eintreffe mit Nachtexpreß. Reserviert weiteres Einzelzimmer mit Bad. Peter Saussen.«
Direktor Littich gibt die Depesche zurück.
»Ist Zimmer 457 oder 459 frei?« fragt er.
»Zimmer 457 ist belegt, 459 ist frei, ist aber ein Doppelzimmer.«
»Buchen Sie es für ihn.«
»Ist bereits geschehen, Herr Direktor. Wird als Einzelzimmer berechnet.«
»In Ordnung!«
Er wendet sich nach der Blumenbinderin um.
»Frau Wessely!«
»Herr Direktor?«
»Rote Gladiolen auf Zimmer 459!«
»Stehen bereits oben. Ich kenne doch die Lieblingsblumen von Herrn Saussen.«
Die Grenzstation liegt längst hinter ihnen. Hinter Salzburg, vor Attnang -Puchheim, hat der Nachtexpreß einen unerwarteten Aufenthalt. Der Zug bleibt auf freier Strecke stehen, Taschenlampen blitzen auf, drei Scheinwerfer erfassen den Zug vom Bahndamm her, und eine Abteilung Gendarmerie nimmt zwischen den Gleisen Aufstellung. Es ist eine helle Mondnacht. Jenseits des Bahndamms, auf der Landstraße, Stehen zwei graue Omnibusse mit Blaulicht. Die Gendarmen verteilen sich auf die Türen der Waggons. Kurze Zurufe ertönen durch die Nacht.
Peter Zanders hat das Fenster heruntergelassen und blickt hinaus. Er ist noch immer in Blue jeans, im offenen Hemd, den roten Schal um den Hals.
»Erschrick nicht!«
»Was bedeutet das?« fragt Birke.
»Eine Razzia.«
»Polizei?« fragt Birke erschrocken.
»In Österreich nennt sie sich Gendarmerie.«
»Glauben Sie, daß...«
»Was?«
»Suchen sie uns?«
»Kaum«, sagt Zanders, »vorläufig liegt unsere Quittung noch wohlverwahrt im Nachttresor.«
»Wenn aber Herr Zanders — er kennt unseren Direktor Graßmann — diesen verständigt hat, daß ich nicht bei ihm war?«
»Möglich ist das natürlich.«
»Sie sagen das so ruhig?«
»Routine, mein Täubchen! Wenn ich mich
Weitere Kostenlose Bücher