Geliebter Feind
reinigte damit ihr Gesicht. Sie konnte gar nicht genug von dem kühlen Naß bekommen, das ihr inzwischen an den Armen entlang-und an den Waden hinunterlief. Schließlich spritzte sie es sich gegen die Brust, einmal, zweimal, immer wieder. Obwohl sie sich jetzt ein wenig sauberer fühlte als zuvor, war sie nicht so erfrischt, wie sie sich das erhofft hatte.
Sie blickte einmal in die Runde. Hoch oben flatterten zwit-schernde Vögel zwischen den Baumwipfeln hin und her. Ein Ka-ninchen hoppelte eilig durchs Gras. Kathryn streifte ihr Hemd ab und legte es auf einen großen Stein. Hier war sie sicher vor fremden Blicken.
Sie irrte sich.
Der heimliche Späher war hinter dem dicken Stamm eines schwarzen Eichbaums versteckt und verfolgte jede ihrer Bewegungen. Ihr dünnes Leinenhemd verbarg ohnehin nur wenig von ihren weiblichen Formen, und als sie es nun noch ablegte, hielt Guy den Atem an.
Sie hatte das lange Haar zu einem dicken Zopf zusammenge-dreht und es sich über die Schulter gezogen. Ihre milchweiße Haut schimmerte wie kostbare Perlen. Kathryn war schlank, beinahe dünn, und dennoch waren die Hüften unter der unglaublich schmalen Taille sehr weiblich gerundet. Ihre Brüste waren fest und rund. Verlockend hoben sich die rosigen Spitzen von der hellen Haut ab.
Tatsächlich war sie so atemberaubend schön, wie Guy es sich vorgestellt hatte - und genau das war das Übel. Er verachtete sie, und trotzdem hatte er immer wieder davon geträumt, sie so zu sehen.
Als sie jetzt in den Bach watete, fiel sein Blick auf ihren Bauch. Guy preßte die Lippen zusammen. Er konnte auch nicht die allergeringsten Anzeichen dafür entdecken, daß dort ein Kind heranwuchs. Der Leib zwischen den Hüften war absolut flach und straff. Dennoch - Guy war nicht ganz unwissend, was Schwangerschaften betraf, und deshalb sagte er sich, daß es schließlich noch Wochen dauern mochte, bevor sie langsam dick und schwer wurde.
Unterdessen stieg Kathryn wieder aus dem Bach, drückte sich das Wasser aus dem Zopf und legte rasch und ein wenig frierend ihre Kleider an. Während sie ein Feuer entfachte, merkte sie, wie hungrig sie war. Viel zu essen hatte sie leider nicht, nur das, was sie in dem kleinen, an ihrem Gewand hängenden Beutel hatte verbergen können, doch das würde schon bis Ashbury ausreichen. So langsam wie möglich knabberte sie an einer harten Brotkruste, und als die Dunkelheit endgültig her-eingebrochen war, hatte sie ihr mehr als bescheidenes Nachtmahl schließlich beendet.
Der Mond stieg langsam am klaren tiefschwarzen Himmel hoch. Die Sterne glitzerten wie Diamanten, und es wurde empfindlich kühl. Unter ihrem dünnen Umhang zusammengekau-ert rückte Kathryn so dicht wie möglich ans Feuer heran. Sie zog die Beine an die Brust und schlang die Arme wärmend um die Knie.
Nebelschwaden begannen dicht über dem Waldboden zu wa-bern. Durchdringendes Heulen zerriß die Stille der Nacht - ein Wolf! Ein unheimliches Gefühl lief ihr über den Rücken. Sie hatte sich hier auf dieser Lichtung so sicher gefühlt, doch war sie es tatsächlich? Immerhin gab es in diesen Wäldern alle möglichen Bestien, auch zweibeinige, wie sie sehr wohl wußte. Ihr fielen alle die vielen schaurigen Geschichten wieder ein, die sie jemals über Halsabschneider, Mörder und Geächtete gehört hatte.
Plötzlich war sie auf der Hut, und alle ihre Sinne waren aufs äußerste geschärft. Ein kleines Geräusch auf der anderen Seite der Lichtung alarmierte sie. Sie sprang auf und versuchte, mit den Augen die Dunkelheit zu durchdringen, entdeckte indessen nichts als silberne Nebel, die sich zwischen den Bäumen drehten.
Und in einem solchen Nebel nahm mit einmal eine männliche Gestalt Form an, groß und mächtig, dunkel und gesichtslos. Wie gelähmt stand Kathryn da. Sie wollte fortlaufen, doch ihre Beine versagten ihr den Gehorsam.
Der Unheimliche trat näher, und jetzt fiel der flackernde Feuerschein auf sein Gesicht. Kathryn starrte den Mann benommen, fassungslos an. Ihr Herz schien zuerst stillzustehen, um'
dann um so wilder zu pochen. Der Schrecken schnürte ihr den Hals zu.
„Nein", flüsterte sie. Ein Schluchzen entrang sich ihr, dann ein leiser Schreckensschrei. „Nein!" Panik erfaßte sie. Blind rannte sie in den Wald hinein. Zweige schlugen ihr ins Gesicht.
Sie stolperte, richtete sich gleich wieder auf. Folgten ihr die Schritte tatsächlich, oder hörte sie nur das Hämmern ihres eigenen Herzens? Sie mußte rennen, weiter, immer weiter! Sie
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