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Geliebter Feind

Geliebter Feind

Titel: Geliebter Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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mehr verprügeln konnte." Sie berührte ihr mißgestaltetes Bein.
    „Ich liebte sie so sehr. Jeder Mensch, der sie kannte, liebte sie."
    „Auch der Earl?"
    „Besonders der Earl", antwortete Gerda leise.
    „War die Ehe nicht arrangiert worden?"
    „Doch, von der Wiege an. Trotzdem wußte jedermann, daß der Earl die Lady geradezu anbetete."
    Kathryn schaute nachdenklich auf das glitzernde Wasser des Bachs. „Ihr Tod muß ihm sehr zu Herzen gegangen sein."
    Darauf sagte das Mädchen nichts, doch sie spürte seinen auf sie gerichteten Blick und errötete. Glücklicherweise blieb es ihr erspart, noch verlegener zu werden, denn Peter kam angerannt.
    Seine Stiefel und die Tunika waren durchnäßt.
    Kathryn stand auf. „Wir sollten besser umkehren und ihm die nassen Sachen ausziehen."
    Nach den ersten Schritten auf dem Rückweg zur Burg erklär-te Peter, er sei furchtbar müde, und wollte getragen werden.
    Gerda hob ihn sich auf die Hüfte. Bald blieb sie immer weiter zurück. Kathryn drehte sich zu ihr um, und da sah sie das schmerzverzerrte Gesicht des Mädchens. Bis zu diesem Moment hatte sie überhaupt nicht darüber nachgedacht, wie schwierig der Marsch für die junge Magd werden könnte. Sogleich plagten sie heftige Gewissensbisse.
    Sie streckte Peter die Hände entgegen. „Komm, kleiner Herr.
    Ich trage dich." Der Junge kam freudig in ihre Arme.
    Gerda schaute sie bestürzt an. „Herrin . . . "
    „Dein Bein schmerzt dich, nicht wahr?"
    Das Mädchen errötete. „Ja, Herrin, nur deswegen braucht Ihr das Kind doch nicht zu tragen."
    „O doch."
    Diese Antwort verblüffte Gerda offensichtlich sehr. „Lady Kathryn, weshalb tut Ihr das? Ihr seid eine Lady, und es ist doch meine Pflicht. . . "
    „Gerda, ich sehe keinen Grund, weshalb du leiden solltest, wenn ich doch sehr wohl in der Lage bin, den Jungen zu tragen."
    Sie kitzelte Peter unter dem Kinn. „Stimmt's, kleiner Herr?"
    Und damit schritt sie weiter.
    Besorgt und ziemlich ratlos blickte das Mädchen ihr hinterher. Richard of Ashbury hatte die Lady Elaine ermordet; er war deshalb zum Feind des Earls geworden und damit auch zu Gerdas Feind. Der Lady Kathryn diente sie nur, weil der Herr es so befohlen hatte.
    Freilich schien Lady Kathryn weder so böse noch so hinterhältig zu sein wie ihr Onkel. . . Es fiel Gerda immer schwerer, in der jungen Herrin einen „Feind" zu sehen.
    Die drei hatten fast schon die äußere Palisade erreicht, als ein seltsames Gefühl Kathryn beschlich. Sie warf einen Blick über die Schulter zurück und sah keine zwanzig Schritt hinter sich einen Reiter. Dieser mußte bemerkt haben, daß sie sich umdrehte, denn er verschwand rasch zwischen den Bäumen.
    Kathryn hatte den Mann bereits erkannt; es war Sir Michael, ein schöner junger Ritter, der mit Guy de Marche zusammen auf Ashbury gewesen war. Sie wurde wütend. Der Earl ließ sie be-schatten!
    Auf der Burg angekommen, brachte sie den auf ihrem Arm eingeschlafenen Peter in dessen Gemach, legte ihn behutsam ins Bett und küßte ihn auf die Stirn.
    In der großen Halle fragte sie eine der Mägde, wo sich der Earl gegenwärtig befände. „Versucht es einmal im Amtsraum", bekam sie zur Antwort.
    Dort war Guy de Marche gerade damit beschäftigt, die Ein-nahmen aus einem seiner Güter aufzurechnen, als die Tür aufgestoßen wurde.
    Kathryn stürmte hinein und stellte sich herausfordernd vor ihm auf. „Ist es erforderlich, einen Mann abzustellen, der jeden meiner Schritte überwacht?"
    Guy lehnte sich in seinen Sessel zurück. Allem Anschein nach hat sie wieder einmal einen ihrer Wutanfälle, dachte er. Er bemerkte die zwei roten Flecken auf ihren Wangenknochen; ihre Augen waren so dunkelgrün wie die aufgewühlte See. Auch gut, dachte er, langweilig sind die Auseinandersetzungen mit ihr ja auf keinen Fall.
    Er legte den Federkiel aus der Hand. „Vielleicht dient diese Maßnahme ja nur zu Eurem Schutz."
    Darauf äußerte sie nur eine einzige Silbe: „Pah!"
    „Wenn ich sage, es sei notwendig, dann ist es das auch." Seine Stimme enthielt so viel Wärme wie ein Schneesturm.
    Kathryn schlug die Hände flach auf die Tischplatte. „Gerda war heute mit mir zusammen. Reichte das denn nicht?"
    Seine Augen waren jetzt so grau wie Felsgestein, und sein Blick wirkte ebenso hart. „Ihr könnt mit einem Dolch so gut umgehen, Kathryn. Einem armen Mädchen wie Gerda hättet Ihr damit großen Schaden zufügen können."
    Das Glitzern seiner Augen löste eine merkwürdige Empfindung in ihr aus,

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