Geliebter Feind
unter Eurem Dach haben wollt. Ihr möchtet, daß ich voller Angst darauf warte, was Ihr mit mir vorhabt. Unbeabsichtigt, mit mir dasselbe grausame Spiel zu treiben, das Ihr mit Richard getrieben hättet, wäre es Euch möglich gewesen."
Daß sie dachte, er würde so grausam handeln, ärgerte Guy.
„Ich will Euch unter meinem Dach haben, weil ich Euch nicht traue. Hier kann ich Euch beobachten. Falls Ihr Euch ordentlich benehmt - wer weiß? Vielleicht könnten wir sogar zu einem Handel gelangen."
„Lieber würde ich einen Pakt mit dem Teufel schließen!"
„Möglicherweise werdet Ihr das auch tun, und zwar früher, als Ihr denkt." Das Licht von der Kerze in dem hohen Wandhalter fiel auf sein arrogantes Profil und ließ seinen Mund noch härter erscheinen. „Und nun ist es an der Zeit, daß wir in die Halle zurückkehren."
Bis jetzt hatte Kathryn noch gar nicht an diejenigen Personen gedacht, die ihren Abgang aus der Halle beobachtet hatten. Wie demütigend es war, dem Earl nun dorthin folgen zu müssen! Sie rührte sich nicht von der Stelle.
Guy verlor endgültig die Geduld. Er schlang den Arm um ihre Taille, hob Kathryn einfach hoch und machte kehrt. Er hätte auch keine Bedenken gehabt, sie sich wie einen Mehlsack unter den Arm zu klemmen und sie so in die Halle zurückzutragen, selbst wenn sie gekreischt und um sich geschlagen hätte, allein das kleine erstickte Geräusch, das er hörte, ließ ihn nun doch innehalten.
„Ich kann nicht", sagte sie sehr leise, wenn auch mit erhobenem Kinn.
Guy merkte, daß er von Anfang an recht gehabt hatte. Diese Frau war starrsinnig, eigenwillig sowie trotzig, und er war genau der richtige Mann, um sie in ihre Schranken zu verweisen.
Ihren Körper so dicht an seinem zu fühlen, löste indessen irritie-rende Empfindungen in ihm aus.
„Bitte", flüsterte sie, und er konnte ihren Atem in seiner Halsgrube fühlen. „Zwingt mich nicht!" Ihre Lippen zitterten verdächtig.
Guy stellte Kathryn auf den Boden, hielt sie jedoch weiterhin mit einem Arm fest. Sein Gesicht wirkte womöglich noch grimmiger als zuvor. Mit Daumen und Zeigefinger hob er ihr Kinn an. „Hört mir gut zu, Kathryn, denn ich sage dies nur ein einziges Mal. Erwartet von mir keine Nachsicht. Glaubt nicht, Ihr könntet mich um Euren Finger wickeln. Ihr habt schon einmal gegen mich verloren. Sollte Euch je an meinem Vertrauen liegen, so müßt Ihr es Euch verdienen."
Damit drehte er sich um und verschwand so schnell und so leise wie ein Nachtgespenst.
Kathryn floh in ihr Gemach und warf sich aufs Bett. Sie verfluchte ihre Hilflosigkeit und den Mann, der daran schuld war.
Der Earl behandelte sie wie einen Falken an der Fessel, und ihr blieb nichts weiter übrig, als das Schicksal zu ertragen, das er ihr zugedacht hatte.
7. KAPITEL
Während der folgenden beiden Wochen betete Kathryn all-abendlich darum, daß der Earl ihr bald die Erlaubnis geben mö-
ge, nach Ashbury zurückzukehren. Leider zeigte er nicht die geringste Neigung dazu.
Tagsüber ritt er meistens aus, um seine Güter zu überwachen, und abends war er eiskalt und reserviert. Sogar die Bediensteten betrachteten Kathryn mit Mißtrauen. Gerda, die ihr zuge-ordnet worden war, verhielt sich kühl, wenn auch höflich, zuvorkommend, wenn auch zurückhaltend. Und alles nur, weil Kathryn of Ashbury Richards Nichte war!
Sie fühlte sich in der Seele leer und einsam. Sie vermißte Elizabeth und Ashbury. Ihr fehlten die nebelverhangenen Küsten Cornwalls, das scharfe Heulen des Windes und das unausge-setzte Geräusch der Meeresbrandung.
Ihre einzige Freude war Peter, dessen Schüchternheit nur einen oder zwei Tage angehalten hatte. Allein mit dem kleinen Jungen zusammen konnte Kathryn wirklich sie selbst sein, denn er war der einzige Mensch auf Sedgewick, der keine Vorur-teile gegen sie hatte.
Sogar das Wetter entsprach ihrer Stimmungslage. Gestern hatte es während des ganzen Tages geregnet, und düstere Wolken waren über den Himmel gejagt. Heute morgen allerdings schien die goldene Sonne, und Kathryn hätte die Burgmauern so gern einmal hinter sich gelassen, wäre es auch nur für eine kurze Weile.
Als Peter ein wenig später in ihr Gemach lugte, winkte sie ihn herein. Er rannte zu ihr, und sie hob ihn in die Arme. „Was hältst du von einem Ausflug, kleiner Herr?" fragte sie und wirbelte ihn zum Fenster herum. Peter lachte vergnügt.
„Schau!" Sie deutete zu dem grünen Wald hinüber, der sich zu den Hügeln zog. Sonnenlicht glitzerte auf
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