Geliebter Feind
dessen hatte es sich womöglich noch verstärkt. Er hatte gedacht, nachdem er ihren jungen, schönen Körper besessen hatte, würde sie ihre Anziehungskraft auf ihn verloren haben. Dem war hingegen nicht so.
Keine einzige Nacht war vergangen, in der er nicht mit dem Gedanken an Kathryn eingeschlafen war. Durch alle seine Träume war sie gegangen. Immer wieder hatte er ihre süßen Lippen gekostet, ihre knospenden Brustspitzen ertastet und ihren seidenweichen Körper erforscht, bis er ihn besser kannte als seinen eigenen. Morgens war er mit ihrem Namen auf den Lippen erwacht, und sein Körper hatte unter dem unerfüllten Verlangen gelitten.
Guy verzog das Gesicht. Kathryn war wie ein schleichendes Gift, das durch seinen ganzen Körper bis in seine Seele gedrungen war. Sie war eine der Hölle entstiegene Magierin mit den Reizen eines Engels. Könnte er doch nur dem Bann der Leidenschaft und der Lust entfliehen! Besäße er doch nur eine Waffe, einen Schild gegen diesen Zauber, mit dem Kathryn ihn belegt hatte!
Ein Jammer, daß ich jetzt so wenig Zeit habe, dachte er wieder. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, und ein satanisches Glühen trat in seine Augen. Er würde sein unbezähmbares Verlangen nach Kathryn befriedigen, und wenn er und sie während seines ganzen Aufenthaltes sein Gemach - oder richtiger: sein Bett - nicht verließen.
Er gab seinem Schlachtroß die Sporen und ritt weiter, entschlossen, das Beste aus seinem kurzen Urlaub zu machen.
Einige seiner Männer auf der Burg sahen ihn kommen. Rufe wurden laut. Viele Leute liefen zusammen und erwarteten ihn am großen Tor. Als er im Burghof absaß, eilte ein junger Pferdeknecht herzu, der von einem Ohr zum anderen grinste. Guy lä-
chelte ihm kurz zu und übergab ihm die Zügel.
Sir Edward schlug ihm auf die Schulter. „Wir haben hier nur sehr wenig über König Heinrichs Feldzug gehört. Wie ist er verlaufen?"
„Recht gut." Guy lächelte ein wenig. „Zu meinem Bedauern werde ich nicht lange hierbleiben können. In wenigen Tagen muß ich mich Heinrich und seinen Ratgebern wieder anschlie-
ßen. Man spricht davon, in Irland einzufallen." Die beiden Männer redeten noch eine Weile miteinander, und dann betrat der Earl die große Halle.
Gerda, die gerade hereingekommen war, blieb auf der Stelle stehen. Guy bemerkte, daß ihr Gesichtsausdruck einen Augenblick lang Panik spiegelte. Er ahnte sofort, daß irgend etwas im argen liegen mußte.
Das Mädchen vollführte einen Knicks. „Willkommen daheim, Herr. Wir sind sehr froh, daß Ihr wieder heil und sicher zurück seid."
Guy nickte kurz. Dies war nicht der Willkommensempfang, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Er hatte gedacht, Kathryn wür-de ihn erwarten, wenn auch nicht mit offenen Armen, so doch wenigstens mit sehnsüchtigem Blick.
„Wie steht es hier, Gerda? Geht es Peter gut?"
„Ihr werdet ihn kaum wiedererkennen, so sehr ist er inzwischen gewachsen." Wieder erschien dieser beunruhigte Ausdruck auf ihrem Gesicht. Sie deutete auf die Treppe. „Im Moment hält er gerade seinen Mittagsschlaf."
„Und die Lady Kathryn? Schläft sie auch gerade?"
Die Magd schüttelte den Kopf. „Nein, Herr", sagte sie leise.
„Sie i s t . . . fort."
„Fort?" Guy wurde blaß, und seine Stimme klang wie Donnerhall. „Bei allen Geistern der Hölle! Sage mir nicht, sie sei entflohen! Wie konnte das geschehen? In meiner Burg wimmelt es doch von bewaffneten Wächtern, und jedermann weiß, daß es ihr nicht erlaubt war, diese Mauern ohne ständige Begleitung zu verlassen."
Gerda wußte nicht, ob sie es wagen sollte, ihm von dem zu erwartenden Kind zu berichten. Sie entschied sich dagegen. „Es ist erst heute morgen geschehen, Herr", sagte sie furchtsam.
„Bei Tagesanbruch erklärte sie dem Torwächter, ihr ginge es schlecht und sie müsse einige Heilkräuter außerhalb der Burgmauern sammeln. Als wir feststellten, daß sie fort war, haben sich Sir Michael und zwölf andere Männer auf die Suche nach ihr begeben."
Diese Hexe! Diese trügerische Hexe! Guy merkte gar nicht, daß er laut fluchte. Sie hatte ihn wieder einmal zum Narren gehalten. Sie hatte ihm versprochen, bei seiner Rückkehr auf Sedgewick zu sein, und er hatte ihr geglaubt.
Gerda sank vor ihm auf die Knie. „Gebt Sir Michael nicht die Schuld daran, Herr! Ich schwöre, er hat seinen Dienst nicht ver-nachlässigt. Wenn Ihr jemanden bestrafen müßt, dann bestraft mich, denn ich habe erst am Vormittag bemerkt, daß die Herrin
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