Geliebter Freibeuter
tun war, und sie musste darauf vertrauen, dass es noch nicht zu spät war.
Noch am selben Nachmittag kam die Schneiderin auf die Plantage. Sie war eine ältere Engländerin, die seit vielen Jahren auf Jamaika lebte, und sie wurde von einem jungen, dunkelhäutigen Mädchen begleitet, das stumm daneben stand und zu Boden blickte.
»Ah, Lady Gilbert! Wir sind ja alle so gespannt auf Euch«, rief Hazel Stewart und breitete verschiedene Stoffballen vor Eloise aus. »Ich nähe Euch das schönste Kleid, in dem auf dieser Insel jemals eine Frau getraut worden ist, das verspreche ich Euch. Wenn Ihr schauen mögt …«
Vorsichtig strichen Eloises Hände über die weichen, schimmernden Stoffe. Jeder anderen Braut wäre vor Freude und gespannter Erwartung auf ihr Hochzeitskleid das Herz übergelaufen, aber Eloise war es völlig gleichgültig, aus welchem Stoff das Gewand für den schönsten Tag ihres Lebens gefertigt sein würde. Schließlich entschied sie sich für einen eierschalenfarbenen Brokat mit zarten, eingewebten Silberfäden und einem spitzenbesetzten Saum.
»Ich denke, ein nicht reinweißer Stoff ist für mich angemessener, da ich in einem fortgeschrittenen Alter bin«, sagte Eloise beinahe entschuldigend, als sie die Enttäuschung auf Miss Stewarts Gesicht sah, weil sie sich nicht für die alabasterweiße Seide entschieden hatte.
Die Schneiderin hatte sich sofort wieder im Griff.
»Selbstverständlich, Mylady, da mögt Ihr recht haben, und diese Farbe wird Euch ganz ausgezeichnet kleiden. Anne!«Sie drehte sich zu dem schwarzen Mädchen um. »Hilf Mylady beim Auskleiden, damit wir die Maße nehmen können. Sei aber nicht wieder so ungeschickt wie beim letzten Mal.« Miss Stewart wandte sich an Eloise. »Das dumme Ding ist manchmal dermaßen verstockt, aber derzeit ist leider nichts Besseres auf dem Markt zu bekommen. Jedenfalls nichts, was
ich
mir leisten kann, aber eine Hilfe brauche ich einfach.« Sie seufzte und zuckte mit den Schultern. »Nun ja, sie ist erst seit einem Jahr bei mir, das wird vielleicht noch werden.«
Da die junge Sklavin in diesem Moment Eloise das Kleid über den Kopf zog, wurde Eloise einer Antwort enthoben, und die Schneiderin sah auch nicht ihren missbilligenden Blick. Eloise war selbstverständlich mit Personal aufgewachsen, sie war es gewöhnt, dass andere Menschen für sie arbeiteten und ihr zur Hand gingen, aber bei ihr zu Hause wurde das Personal nicht nur bezahlt, sondern auch höflich behandelt. Obwohl es Angestellte waren, äußerten ihr Vater und ihre Mutter immer ihre Wünsche mit dem Wort »Bitte« davor und dankten auch.
»Ein freundliches, arbeitsames und zufriedenes Personal ist das Aushängeschild eines jedes herrschaftlichen Hauses«, hatte ihr Vater stets betont, und so hatte Eloise sich den Respekt der Diener bewahrt. Auf Jamaika schien das jedoch anders zu sein. Gut, die Diener hier waren
nur
Sklaven, wie David sie bezeichnete, und Eloise bezweifelte, dass die meisten von ihnen freiwillig auf der Plantage arbeiteten.
Noch am selben Abend hatte Eloise ein weiteres unerfreuliches Erlebnis, das ihr einen Schauer über den Rücken jagte. David und sie waren gerade beim Dinner, das sie zu zweit einnahmen, als Dotty von hinten an Eloise, die in einGespräch mit David vertieft war, herantrat, um die Suppe zu servieren. Eloise hatte die Dienerin nicht bemerkt, und just in dem Augenblick, als Dotty den vollen Teller auf den Tisch stellen wollte, drehte sich Eloise herum und stieß mit ihrem Arm den Teller aus Dottys Hand. Die heiße Suppe ergoss sich über Eloises Kleid. Mit einem Schrei sprang Eloise erschrocken auf. In der nächsten Sekunde war David ebenfalls aufgesprungen und schlug Dotty mit der flachen Hand ins Gesicht.
»Du nichtsnutzige Kreatur! Bist du eigentlich zu allem zu dumm? Das wird noch Folgen haben …«
»David, bitte nicht!« Eloise fiel ihm in den Arm, als er zu einem zweiten Schlag ausholte. »Es war meine Schuld, Dotty kann nichts dafür.«
Davids Augen funkelten zornig, als er Eloise anherrschte: »Das hat dieses schwarze Miststück absichtlich gemacht, es ist nicht nötig, dass du versuchst, sie zu verteidigen.« Als er sah, wie Eloise vor seinem Zorn angstvoll zurückwich, wandelten sich sein Gesichtsausdruck und seine Stimme. »Dein Kleid ist beschmutzt, meine Liebe. Du möchtest dich bestimmt umziehen. Hoffentlich werden die Flecken wieder herausgehen.«
»Es ist nicht so schlimm«, flüsterte Eloise. »Dies ist nicht mein bestes
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