Geliebter Freibeuter
wird, dachte Morgan grimmig, laut sagte er allerdings: »Ihr gestattet, dass ich selbst den Piraten in meine Gewalt bekommen möchte, Sir Trelawny? Nach allem, was er mir und Lady Eloise angetan hat …«
»Ist es mehr als verständlich«, vollendete der Gouverneur den Satz und nickte wohlwollend. »Bringt ihn mir aber, wenn möglich, lebend. Flynn soll vor Gericht gestellt und ordnungsgemäß zum Tode verurteilt werden. Wie ich den Mann einschätze, wird das eine größere Schmach für ihn sein, als im Kampf zu sterben.«
In diesem Punkt stimmte Morgan mit Trelawny überein. Auch er war daran interessiert, den Piraten lebend in seine Gewalt zu bekommen, auch wenn er andere Pläne, nicht eine ordentliche Gerichtsverhandlung, für Flynn im Sinn hatte.
Zitternd kauerte Eloise im Sessel und sah Kate voller Angst an, als sie erfuhr, dass die
Liberty
, Flynns Schiff, in der Nähe von Jamaika gesichtet worden war.
»Warum kommt er hierher? Er muss doch wissen, dass im Hafen von Kingston eine Marineflotte liegt, deren Übermacht er niemals standhalten kann.«
»Der Captain weiß, was er tut«, murmelte Kate, war sich aber keinesfalls so sicher, wie sie vorgab zu sein.
Kate hätte nicht gedacht, dass es Dark Flynn tatsächlich wagen würde, am helllichten Tag in der Nähe von Jamaikaaufzutauchen. Was hatte er vor? Wollte er einfach in den Hafen segeln, zu Morgans Plantage eilen und Eloise mitnehmen? Das wäre verrückt und Flynns sicherer Tod. Und war Cubert auch auf dem Schiff? Bestimmt, denn der rotbärtige Pirat wich nie von Flynns Seite.
Zwei lange und bange Tage vergingen. Tage, in denen Eloise sich zwar vollständig von dem Fieberschub erholte, in denen sie aber nichts aß, weil die Sorge um Dark Flynn ihren Magen zuschnürte. Auch wenn er sie vielleicht nur benutzt und ihr Gefühle, die er nicht für sie empfand, vorgegaukelt hatte, wünschte Eloise nicht seinen Tod. Ihr Zorn, der früher sofort in ihr aufgelodert war, wenn sie nur seinen Namen hörte, war verflogen und hatte einer tiefen Traurigkeit Platz gemacht. Der Zorn war aber leichter zu ertragen gewesen als die Furcht, aus dem starken, gut gebauten Körper könne bald alles Leben entweichen. Auch wenn Flynn nicht sie, sondern Betty liebte, wollte Eloise, dass ihm kein Leid geschah und dass er glücklich war.
Endlich erhielt Kate die lang ersehnte Nachricht. Ein Junge, kaum älter als elf oder zwölf Jahre, überbrachte sie mit einem verschmitzten Grinsen, als Kate am Nachmittag im Garten war.
»Is’ vom Captain«, sagte er, drückte Kate einen Zettel in die Hand und war so schnell wieder verschwunden, dass niemand außer Kate den Jungen bemerkt hatte.
David Morgan war zusammen mit Captain Carrick und dem Großteil des auf Jamaika stationierten Militärs ausgelaufen, um Flynn zu fangen, hatte die Plantage aber nicht unbewacht zurückgelassen. Die Gefahr befand sich zwar vorrangigdraußen auf dem Meer, aber zur Sicherheit hatte Morgan vor seiner Abfahrt die Wachen bei den Sklavenquartieren verstärken lassen und Eloise eingeschärft, unter keinen Umständen die Plantage zu verlassen.
So schnell sie konnte, eilte Kate zu Eloise. Diese saß in ihrem Zimmer und schaute aus dem Fenster. In ihrem Schoß lag eine Stickarbeit, aber Eloise hatte kaum einen Stich getan. Zu schwer war ihr Herz, zu groß ihre Sorge um Dark Flynn, als dass sie sich auf ihre Handarbeit konzentrieren konnte. Eloise erschrak, als Kate keuchend und mit geröteten Wangen in ihr Zimmer stürmte. Sie sprang auf, und der Stickrahmen fiel zu Boden.
»Was ist geschehen? Haben sie ihn gefangen?« Eloise eilte zu Kate und schüttelte sie leicht. »So sprich doch«, rief sie. »Was ist mit ihm?«
Eloises Reaktion, als Erstes an Dark Flynn zu denken und nicht nach Morgan zu fragen, bestätigte Kate darin, das Richtige zu tun. Als sie wieder zu Atem gekommen war, sah sie Eloise eindringlich an.
»Du vertraust mir doch, nicht wahr?«
»Mehr als jedem anderen Menschen auf dieser Welt«, antwortete Eloise verwundert.
Kate lächelte sie liebevoll an.
»Dann komm, Eloise. Wir müssen uns beeilen.«
»Wobei beeilen? Und wohin soll ich mitkommen?«
Geschäftig suchte Kate Eloises Umhang, reichte ihn ihr und holte dann ihren eigenen.
»Vertrau mir«, wiederholte sie. »Es wird bald alles gut sein.«
Eloise legte sich den Umhang um und folgte Kate durch das Treppenhaus nach draußen. Niemand war zu sehen, unddie Dunkelheit brach herein. Auf Jamaika wurde es schnell Nacht, es gab
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