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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Ganzwohl
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salzgeschwängerte Luft einatmen und darauf hoffen, dass sich das positiv auf verstopfte Nasennebenhöhlen, Asthma, Schlafstörungen oder ein gestresstes Immunsystem auswirkte. Während ich mich kaum einkriegte vor lauter Begeisterung über Farben, Licht und Design, schüttelte Claus nur den Kopf. Der karg eingerichtete, komplett gekachelte Raum erinnere ihn an den grauenvollen Warteraum in der Untersuchungshaft, der genau die Farbe der gelbrotbraunen Salzsteine gehabt habe, meinte er. Dort musste man als Angeklagter auf seinen Anwalt warten, bevor man in den Gerichtssaal geführt wurde. »Gelbbraune Fliesen, vollgeschmierte Wände und völlig verraucht – damals gab es ja noch nicht überall ein Rauchverbot«, erzählte Claus, »es war wirklich furchtbar dort.«
    Mir fiel auf, dass die salzige Luft den Raum hier im Spa wirklich wie verraucht oder vernebelt aussehen ließ.
    »Ach bitte, lass uns wenigstens kurz bleiben«, bettelte ich.
    Mir zuliebe harrte Claus achteinhalb für ihn wohl sehr quälende Minuten auf einer der Designerliegen aus, verließ dann den Saltroom, mich an der Hand hinter sich herziehend, als wären wir auf der Flucht, und ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Claus’ Vergangenheit um gab uns auch hier mit hauchfeinem Erinnerungsstaub, ähnlich wie der Salzstaub, den die geschickt beleuchtete Salzsteinwand absonderte.
    Ich wusste also vieles, doch ein weiteres, ausführliches Gespräch über die Tat selbst verschob ich immerzu; mal, weil ich mir sagte, der Tag sei zu schön und zu sonnig, um ihn mit so einem Thema zu verdüstern, mal, weil ich fand, dass wir uns ganz besonders gut verstanden und nah waren, und dann wieder, weil die Stimmung gereizt und angespannt war und ich die Situation nicht noch schwieriger machen wollte. Kurz: Ich erfand Ausreden, wochenlang, monatelang. Ich hatte Angst davor, zu genau Bescheid zu wissen, hatte das Gefühl, dass auch dies wieder unabsehbare Folgen für unsere Beziehung haben und mich in meinen Träumen verfolgen würde. Zugleich quälten mich die Unsicherheit und das Nichtwissen. Doch meine Furcht vor dem, was ich hören würde, war größer.
    Direkt nach seinem Geständnis, noch in derselben Nacht, hatte ich das Nächstliegende getan; ich hatte versucht, Informationen zu dem Mord zu googeln. Obwohl die Tat inzwischen ja über elf Jahre zurücklag, fand ich nach einigen Versuchen mit verschiedenen Wortkombinationen noch Artikel in diversen Münchner Tages zeitungen, einige davon lokale Boulevardblätter. Ich starrte auf Überschriften wie »Schwabinger Kirchen kerzen-Killer verurteilt«, »Altarkerze wird zum Mordinstrument«, »Kirchenkerzen-Mörder: Geständnis unter Tränen«, »Schwabinger Unternehmensberater tötet Jugendliebe«.
    Besonders deutlich ist mir in Erinnerung geblieben, dass direkt neben einem der Texte über Claus und den Mord ein Artikel über Ostereierfärben platziert war. So etwas sieht man jeden Tag – das Bild eines Oben-ohne-Girls direkt neben einem Bericht über ein getötetes Kind, Diättipps unter einem Artikel über einen schrecklichen Autounfall mit mehreren Toten, Ekelfotos aus dem Dschungelcamp über einem Text zu einer Naturkatastrophe, die Abertausende Menschen tötete oder obdachlos werden ließ. Bisher hatte ich mir dazu noch nie Gedanken gemacht, doch jetzt war es anders. Ich kannte denjenigen, von dem der Artikel handelte, sehr gut. Und es ging um Mord. Wie kann man es wagen, direkt daneben über beschissene Ostereier zu schreiben?, schoss es mir durch den Kopf. Und genau in diesem Moment wurde mir mit einem Schlag bewusst, dass alles wahr, dass es wirklich passiert ist. Bis dahin war mir alles wie ein Film vorgekommen oder wie eine Reportage im Fernsehen, in der das Leben eines anderen Menschen geschildert wird, weit weg von mir. Claus auf meiner Couch davon reden zu hören war eine Sache. Es nun schwarz auf weiß vor mir zu sehen, gleich neben einem Text über Ostereier, eine andere.
    Es stimmt wirklich, das kann doch nicht sein, ich träume, das kann doch nicht sein – ich konnte nicht mehr aufhören, diese Sätze zu denken, obwohl ich doch auch schon vorher gewusst hatte, dass es wahr ist.
    Ich spürte damals zum zweiten Mal an diesem Geständnissonntag, wie mein Herz zu rasen begann, als würde ich im Fitnessstudio eine Extrarunde mit höchstem Schwierigkeitsgrad auf dem Stepper einlegen – eine Körperreaktion und ein Gefühl, die von da an immer wieder auftauchen und Teil meines Alltags werden

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