Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
Selbst wenn ein Streit sehr laut und sehr emotional wird, denke ich nicht im Traum daran, dass mich mein Gegenüber körperlich angreifen könnte. Am allerwenigsten der Mann, den ich liebe und der vorgibt, mich zu lieben. Ich hatte überhaupt noch nie eine körperliche Auseinandersetzung, auch nicht als Kind oder Teenager – daher ist die Vorstellung, während eines Beziehungsstreits attackiert und verletzt zu werden, für mich geradezu absurd. So gesehen wäre ich selbst dann völlig arg- und wehrlos, wenn man sich laut brüllend und mit den Händen fuchtelnd gegenübersteht. Aber das ist natürlich mal wieder meine laienhafte Meinung, nicht die juristische Sichtweise und Deutung. Juristen sind der Ansicht, dass man bei einer verbalen Auseinandersetzung mit einem Angriff rechnen muss, dass man von einem Gewaltausbruch in so einem Fall nicht komplett überrascht sein kann. Doch ich muss nicht weiter über Totschlagszenarien nachdenken – die Tat wurde als Mord eingestuft.
Denn Claus hat zugeschlagen und gewürgt, als Elke den Streit für beendet hielt und ins Nebenzimmer gegangen war, als sie ihm den Rücken zukehrte, als sie ihn nicht kommen hörte.
Mord. Ich schaffe es nicht, Claus mit diesem grässlichen Wort zusammenzubringen. Und vielleicht will ich das auch gar nicht. Bei Elkes Angehörigen und Freunden war das anders. Für sie war Claus über Nacht nicht mehr der nette Schwiegersohn in spe und der gute Kumpel, sondern das Monster, das ihnen ihre über alles geliebte Tochter, die Schwester, Cousine, Freundin und Kollegin geraubt hatte.
»Die bewundernswerte Haltung mancher Angehöriger, die keinen Hass empfinden und Mördern sogar vergeben, stellt die Ausnahme dar. Die meisten Betroffenen vermögen es nicht zu verzeihen. Sie wollen Sühne, um ihre Trauer aufarbeiten zu können. Das kann man bei fast allen Mordprozessen miterleben, und das haben wir auch zu respektieren. Angehörige fordern in der Regel die höchstmögliche Bestrafung«, schreibt dazu Mordermittler Josef Wilfling.
Auch in Claus’ Fall war das so. Insbesondere Elkes Schwestern und ihre beste Freundin wollten, dass Claus für immer hinter Gittern verschwindet, und machten dar aus auch keinen Hehl – sie erzählten es sogar Zeitungsreportern. Wer würde es ihnen verdenken?
»Hätte man mich vor der Tat gefragt, was mit so einem wie mir geschehen sollte – ich hätte sogar Todesstrafe gesagt«, meint Claus dazu.
»Du warst für die Todesstrafe?«, frage ich erstaunt.
»Ich habe mich damals nicht allzu intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Aber ich hatte auf jeden Fall eine andere Meinung dazu als heute.«
»Welche Meinung hast du denn heute?«
»Ich bin dagegen. Gegen Todesstrafe, meine ich. Nicht nur wegen mir und meiner Tat, sondern auch wegen der Menschen und Schicksale, die ich in Stadelheim kennengelernt habe.« So schnell ändern sich Grundsätze und Meinungen – auf der falschen Seite der Anklagebank oder des Gitterfensters sieht die Welt plötzlich ganz anders aus.
Auch ich bin gegen Todesstrafe – schon immer gewesen. Sie steht im Widerspruch zu den Menschenrechten und zur Menschlichkeit. Der Staat stellt sich auf eine Stufe mit den Verbrechern. Es ist absurd zu demonstrieren, dass Töten Unrecht ist, indem man tötet. Die Gefahr für Fehlurteile ist viel zu hoch, und es ist hinreichend bewiesen, dass sie keinerlei positive Auswirkung auf die Kriminalitätsrate hat. Anders als Claus hätte ich auch früher, bevor ich mit ihm zusammen war, nie gesagt, dass »einer wie er« den elektrischen Stuhl, die Giftspritze oder gar den Strick verdiene. Wie ich immer wieder mit meinen Freundinnen diskutiere, seit Claus und ich ein Paar sind, bin ich jedoch nicht sicher, ob ich das noch genauso sehen würde, wenn ich selbst betroffen wäre, weil beispielsweise jemand ermordet worden wäre, den ich liebe. Wahrscheinlich würde ich mir dann den Tod für den Täter wünschen. Nein, nicht nur wahrscheinlich – ich würde bestimmt laut nach Rache rufen und hätte Probleme, wenn das Urteil und die Strafe nicht allzu hart ausfielen. Ich gehe davon aus, dass auch Elkes Eltern, ihre Schwestern und Freundinnen solche Gedanken und Wünsche hatten – es ist einfach nur allzu menschlich. Claus sieht das genauso. Trotzdem ist es ihm während des Prozesses manchmal schwergefallen, den Aussagen von Elkes Schwestern und Freundinnen zuzuhören.
»Sie äußerten sich sehr negativ über mich und unsere Beziehung. Manchmal lag mir wirklich ein
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