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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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schienen. Nicole wollte sich darin wälzen und sie an sich drücken. Seit sie das Schloß ihrer Eltern verlassen hatte, hatte es keine Schönheit mehr in ihrem Leben gegeben.
    »Nun, wo wollen Sie anfangen?«
    Nicole blickte Janie an und brach in ein Lachen aus. »Mit allem zugleich!« rief sie, drückte den Muff an sich und warf mit dem Fuß sechs Straußenfedern in die Luft.
    Während sie einen Chiffonschal von ihren Beinen wickelte, hob Janie ein paar Modejournale aus dem Koffer. »Heidledoff’s Gallery of Fashion«, sagte sie. »Sie brauchen sich nur Ihre Waffe auszusuchen, meine teure Mrs. Armstrong, und ich werde Ihnen meinen Koffer voller Stahl zeigen - besser gesagt, meine Steck- und Nähnadeln.«
    »Oh, Janie, das kann ich nicht.« Doch ihre Stimme klang nicht überzeugend, während sie den Zobelmuff sanft über ihren Arm streifen ließ und überlegte, ob sie nicht mit ihm schlafen sollte.
    »Ich will so etwas nicht mehr hören. Wäre es Ihnen möglich, den Arm wieder aus diesem Ding zu befreien, damit wir es weglegen und anfangen können? Schließlich haben wir ja ungefähr nur einen Monat Zeit.«

3
    Es war Anfang August 1794, als das schlanke, kleine Paketboot in den Hafen an der Küste Virginias einlief. Janie und Nicole lehnten beide über der Reling an Steuerbord und sahen sehnsüchtig zu der Mole hinüber, hinter der sich ein dichter Wald abzeichnete, als wären sie Gefangene, die endlich aus dem Gefängnis frei gelassen wurden, ln den letzten Wochen der Reise hatten sie nur noch vom Essen geredet- von frischer Kost. Sie sprachen von Gemüse und Früchten, von den vielen Pflanzen, die nun bald reif wurden, und wie sie das alles auf einen Teller häufen und mit frischer Sahne und Butter essen würden. Janie gelüstete es am meisten nach Brombeeren, während Nicole sich nur nach grünen lebenden Dingen sehnte, die aus der süß riechenden Erde sprossen.
    Sie hatten die langen Tage ihrer Gefangenschaft mit Nähen verbracht, und es war kaum einer der köstlichen Stoffe übriggeblieben, aus denen sie nicht ein Kleid - entweder für Janie oder Nicole genäht hatten. Nicole trug jetzt einen Rock aus Musselinstoff, der mit winzigen Veilchen bestickt und am Saum mit einem violetten Band besetzt war. Ein Stück von dem gleichen Band hatte sie um ihre Haare geschlungen. Ihre Arme waren bloß, und sie genoß die Wärme der untergehenden Sonne auf der Haut.
    Die Frauen hatten während der gemeinsamen Arbeit über vieles geredet. Nicole hatte dabei die Rolle der Zuhörerin gespielt, weil sie mit niemand über die Zeit sprechen wollte, als man sie von ihren Eltern trennte, und, noch schlimmer, wie ihr der Großvater entrissen wurde. Sie erzählte Janie nur aus ihrer Kindheit auf dem Schloß ihrer Familie, wobei sie den Palast darstellte, als wäre er nur ein gewöhnliches Landhaus gewesen. Und sie erzählte aus dem Jahr, das sie mit ihrem Großvater bei der Familie des Müllers verbracht hatte. Janie lachte, als Nicole ihr sachkundig die verschiedenen Qualitäten der steingemahlenen Getreidesorten erläuterte.
    Doch die meiste Zeit hatte Janie geredet. Sie berichtete von ihrer eigenen Kindheit auf einer kleinen armen Farm, nur ein paar Meilen von Arundel Hall entfernt, wie Claytons Haus genannt wurde. Sie war zehn Jahre alt gewesen, als Clay geboren wurde, und sie schilderte, wie der Junge auf ihren Schultern geritten sei. Janie war bei der Amerikanischen Revolution fast zwanzig Jahre gewesen. Ihr Vater hatte, wie viele Farmer in Virginia, alle seine Felder mit Tabak bepflanzt. Als der englische Markt den Amerikanern verschlossen war, ging er bankrott. Mehrere Jahre hatte er dann mit Janie in Philadelphia gelebt, einer Stadt, die Janie haßte. Als ihr Vater gestorben war, kehrte sie an die Stätte zurück, die sie immer als Heimat betrachtet hatte - nach Virginia.
    Bei ihrer Rückkehr habe sie Arundel Hall stark verändert vorgefunden. Clays Eltern waren ein paar Jahre zuvor an der Cholera gestorben. Clays älterer Bruder James hatte Elizabeth Stratton geheiratet, die Tochter des Aufsehers der Armstrong-Plantage. Dann, als Clay in England weilte, waren James und Elizabeth bei einem tragischen Unglücksfall ums Leben gekommen.
    Der kleine Junge, den Janie gekannt hatte, existierte nicht mehr. An seiner Stelle war ein arroganter, fordernder junger Mann getreten, der arbeitete wie der Teufel. Während in Virginia eine Plantage nach der anderen bankrott ging, blühte Arundel Hall auf und breitete sich immer weiter

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