Geliebter Tyrann
mit ihren dunklen Walnußregalen, die mit in Leder gebundenen Büchern gefüllt waren, und einem riesigen Walnußschreibtisch, der einen großen Teil des verfügbaren Platzes einnahm. Zwei rote Leder-Armsessel standen vor dem Kamin.
Das Eßzimmer war im Chippendale-Stil gehalten, die Wände mit handgemalten Textiltapeten bekleidet, mit einem feinen Chinoise-Muster aus zarten Ranken und pastellfarbenen Vögeln. Das Mobiliar bestand aus Mahagoni.
Der Salon war eine Augenweide. Das Südfenster gab dem Zimmer Licht und Freundlichkeit Die Vorhänge waren aus zweierlei rosenfarbenem Samt, die Sitze der drei Sessel mit demselben Material gepolstert. Ein Sofa war im rechten Winkel vor den Marmorkamin gestellt und mit grün- und rosenfarben gestreiftem Satin überzogen. Die Wände waren mit Papier aus zartestem Rosa tapeziert mit einem Streifen von dunklerem Rosa an der Decke, der mit dem Rosenholz-Sekretär harmonierte, den Nicole in einer Ecke erblickte.
Doch das Morgenzimmer gefiel Nicole am besten. Es war in Gelb und Weiß gehalten. Die Vorhänge bestanden aus schweren weißen Baumwollstoffen mit einem kleinen Zweigmuster und eingestickten gelben Rosenknospen. Die Wände waren weiß gestrichen. Eine Couch und drei Sessel waren mit goldweiß-gestreifter Baumwolle überzogen, und an einer Wand lehnte ein dreibeiniges Kirschholzspinett mit einem Notenständer daneben. Ein Spiegel und zwei vergoldete Kerzenhalter hingen über dem Spinett.
Doch alles war so verstaubt! Das hübsche Zimmer sah aus, als hätte es seit Jahren niemand mehr betreten. Die polierten Flächen der Möbel waren stumpf und verkrustet vom Staub, das Spinett schrecklich verstimmt. Die Vorhänge und Teppiche waren voller Spinnenweben. Es war eine Schande, daß soviel Schönheit sich in einem so verwahrlosten Zustand befand. Nicole stand wieder in der Halle und blickte die Treppe hinauf: sie hatte das ganze Haus erkunden wollen; doch vorläufig hatte sie genug von Zimmern, die in Staub und Schmutz erstickten.
Sie sah an ihrem Kleid hinunter und wandte sich dann dem schmalen Gang zu, der sie in die Küche brachte. Vielleicht hatte Maggie eine Schürze übrig, die sie sich leihen konnte, und im Waschhaus gab es gewiß einen Vorrat an Putzsachen. Sie erinnerte sich an Janies Worte, daß Clay kaum darauf achtete, was er aß. Im Milchhaus hatte sie etwas gesehen, das aussah, als wäre es seit Jahren nicht mehr verwendet worden oder überhaupt noch nicht: ein Faß mit Rührwerk zur Eisfabrikation. Vielleicht konnte Maggie etwas Sahne und Eier entbehren, vielleicht gab es auch ein Kind, das die Kurbel bedienen konnte.
Es war ziemlich spät, als Nicole sich zum Dinner anzukleiden begann. Sie schlüpfte in ein Kleid aus saphirblauer Seide mit langen, engen Ärmeln und tiefem Ausschnitt- fast zu tief, überlegte sie, als sie sich im Spiegel betrachtete. Als sie noch einmal vergeblich versuchte, das Kleid höher hinaufzuziehen, lächelte sie. Wenigstens würde Mr. Armstrong sie heute als eine Frau betrachten, die nicht schmutzig und mit Wunden und Blasen bedeckt war.
Als es an der Tür klopfte, fuhr sie zusammen. Eine männliche Stimme, unmißverständlich Clays Stimme, sprach durch die geschlossene Tür. »Könnte ich Sie in der Bibliothek sprechen, bitte?« Dann hörte sie wieder seine Stiefel auf den Holzdielen, als er sich über die Treppe entfernte.
Nicole empfand eine seltsame Nervosität bei dem Gedanken daran, daß es ihr erstes beabsichtigtes Zusammentreffen sein würde. Sie drückte die Schultern durch, als sie sich an die Worte ihrer Mutter erinnerte, daß eine Frau immer aufrecht der Gefahr ins Gesicht sehen müsse und Courage für eine Frau genauso wichtig sei wie für einen Mann. So gewappnet, ging sie nach unten.
Die Tür der Bibliothek stand offen, und der Raum war von der untergehenden Sonne in ein rötliches Licht getaucht. Clayton stand hinter dem Schreibtisch, ein aufgeschlagenes Buch vor sich. Er war stumm; doch seine Gegenwart spürte man nur zu deutlich.
»Guten Abend, Sir«, sagte Nicole mit ruhiger Stimme.
Er sah sie lange an, ehe er das Buch auf die Schreibtischplatte legte. »Bitte, nehmen Sie Platz. Ich dachte, wir sollten uns über diese... Situation unterhalten. Könnte ich Ihnen vor dem Abendbrot etwas zu trinken anbieten? Vielleicht einen trockenen Sherry?«
»Nein, vielen Dank. Ich fürchte, ich kann Alkohol nicht gut vertragen, ganz gleich, von welcher Sorte«, sagte Nicole, während sie einen der roten Ledersessel vor den
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