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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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dunkel im Haus war, konnte Nicole doch von der offenen Tür aus erkennen, daß es ein hübsches, kleines Gebäude war. Das Erdgeschoß bestand aus einem großen Raum mit je drei Fensternischen in den Wänden links und rechts, einer Tür und einem Fenster in der Stirnwand, einer acht Fuß langen Feuerstelle, parallel zu einer Wand angeordnet, und in einer Ecke entdeckte sie eine Treppe mit handgeschnitztem Geländer. Unter einem Fenster stand eine alte Kiefernkommode, und ein langer breiter Tisch war in die Mitte des Raums gerückt.
    Als die Männer die Bretter von den Fenstern entfernten, drang kaum Licht durch die verstaubten Scheiben. Der Lärm löste eine Lawine von trippelnden und huschenden Geräuschen aus.
    »Puh!« sagte Janie und zog die Nase kraus. »Das kostet ein tüchtiges Stück Arbeit, bis wir dieses Haus gesäubert und von ungebetenen Gästen befreit haben.«
    »Dann sollten wir wohl am besten gleich damit anfangen.«
    Bis zum Sonnenuntergang hatten sie doch einiges geschafft, das sich sehen lassen konnte. Über dem ebenerdigen Raum befand sich ein Dachgeschoß mit niedriger Decke und stark geneigten Wänden. Unter dem Schmutz entdeckten sie kunstvoll geschnitztes Holzwerk. Die Innenwände waren verputzt, und wenn man sie weiß tünchte, sahen sie wieder wie neu aus. Durch die gesäuberten Fensterscheiben flutete nun eine Menge Licht ins Haus.
    Vernon, der die lockeren Dachschindeln festnagelte, rief plötzlich zu den Frauen hinunter, daß sich ein Floß dem Hügel näherte. Sie liefen alle zum Fluß hinunter. Einer von Clays Männern manövrierte das Floß mit einer Stange ans Ufer. Es war mit Möbeln beladen.
    »Moment, Janie, das kann ich nicht annehmen. Er hat schon zuviel für mich getan.«
    »Jetzt ist nicht die Zeit für übertriebenen Stolz«, erwiderte Janie. »Wir brauchen das Zeug, und zudem stammt es nur von Clays Speicher. Also kostet es ihn auch keinen Cent. Nun komm schon, und hilf mir, diese Bank ins Haus zu tragen. Howard! Ich hoffe, du hast auch ein paar Eimer voll Kalkleim mitgebracht- und zwei Matratzen!«
    »Das ist doch erst der Anfang. Wenn ich alles verladen habe, habt ihr die ganze Einrichtung von Arundel Hall auf dieser Seite des Flusses«, antwortete Howard.
    Janie, Nicole und die beiden Männer arbeiteten drei Tage lang an dem Haus. Die Männer schliefen in der Mühle, während die Frauen jeden Abend erschöpft auf strohgefüllte Matratzen im Dachgeschoß des Hauses fielen.
    Am vierten Tag ließ sich ein untersetzter knurriger Mann bei ihnen sehen. »Ich hörte, hier wäre eine Frau, die glaubt, sie könne eine Mühle betreiben.«
    Janie öffnete den Mund, um diesem Mann gehörig die Meinung zu sagen; doch Nicole trat auf den Mann zu und sagte: »Ich bin Nicole Armstrong, und Sie haben richtig gehört. Ich will die Mühle wieder in Betrieb setzen. Wollen Sie mir helfen?«
    Der Mann betrachtete sie eingehend und streckte ihr dann seine linke Hand hin, mit dem Rücken nach oben.
    Janie wollte dem Mann gerade sagen, daß er sich bessere Manieren angewöhnen sollte, als Nicole mit beiden Händen die dargebotene Linke des Mannes ergriff und sie umdrehte. Janie machte ein entsetztes Gesicht, denn die Handfläche des Mannes schien verstümmelt zu sein, war über und über mit grauen Wülsten bedeckt.
    Nicole fuhr mit beiden Händen über die Handfläche des Mannes hin, und sah ihn dann mit einem strahlenden Lächeln an. »Sie sind engagiert«, sagte sie.
    Er betrachtete sie wieder mit einem Augenzwinkern. »Und Sie wissen genau, was Sie tun. Sie werden mit Ihrer Mühle bestimmt keine Pleite erleben.«
    Als er wieder gegangen war, erklärte Nicole, daß es sich bei diesem Mann um einen Mahlstein-Schleifer handelte. Er benützte einen Meißel, um die Rillen in dem Mühlstein zu schärfen. Bei dieser Arbeit pflegte er seine rechte Hand mit Leder zu bedecken, die linke jedoch ungeschützt zu lassen. Nach jahrelanger Schleifarbeit hatten sich so viele Steinsplitter in den Schwielen der linken Hand festgesetzt, daß sie selbst schon aussah wie ein Mühlstein. Diese Männer waren stolz darauf, wenn sie ihre linke Hand vorzeigen konnten. Sie war ein Symbol für ihre Tüchtigkeit. Daher auch das englische Sprichwort: »To show one’s mettle.« Diese Schleifer konnten tatsächlich ihre »Tüchtigkeit vorzeigen«. Und »mettle« war ein altes englisches Wort für Bruchsteine.
    Janie ging wieder an die Arbeit, wobei sie vor sich hinbrummelte, daß es auch Handschuhe für linke Hände

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