Geliebter Tyrann
schildere.«
Clays Wangenmuskeln spannten sich. »Was verlangst du von mir? Geld? Ich werde dich für die Zeit in Amerika entschädigen. Du hast dir bereits eine beträchtliche Garderobe zugelegt.«
Bianca kämpfte die Tränen nieder. Wie sollte dieser ungehobelte Bursche, dieser ungebildete Kolonist, auch verstehen, was sie haben wollte? In England hatte sie sich nicht unter die Leute mischen können, die von edlem Stande waren wie ihre Familie, weil es ihr an den nötigen Mitteln fehlte. Einige der Leute, mit denen zu verkehren ihre eingeschränkten Verhältnisse erlaubten, lachten hinter ihrem Rücken, weil ein Amerikaner um ihre Hand angehalten hatte. Sie hatten angedeutet, daß sie sonst keinen Mann mehr bekäme. Bianca hatte durchblicken lassen, daß sie mehrere Heiratsanträge bekommen hätte; doch das stimmte nicht
Was verlangte sie also wirklich? Sie verlangte, was ihre Familie einmal besessen hatte- Sicherheit, eine herausragende Stellung, keine unbezahlten Rechnungen mehr, das Gefühl, daß man sie begehrte und brauchte. »Ich will die Armstrong-Plantage«, sagte sie ruhig.
Clay lehnte sich im Sessel zurück. »Einen bescheideneren Wunsch konntest du wohl nicht äußern, nicht wahr? Ich kann oder will sie dir nicht geben. Nicole ist mir ans Herz gewachsen, und ich habe vor, sie als meine Frau zu behalten.«
»Aber das kannst du nicht! Ich kam deinetwegen aus England hierher. Du mußt mich heiraten!«
Clay hob eine Augenbraue. »Du wirst nach England zurückkehren, Und zwar unter so bequemen Umständen, wie sich das einrichten läßt. Ich werde versuchen, dich für deine verlorene Zeit und für... das gebrochene Eheversprechen zu entschädigen. Das ist alles, was ich tun kann.«
Bianca funkelte ihn an. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist, du unerträglicher, ungebildeter Bauer? Glaubst du etwa, daß ich dich jemals heiraten würde? Ich kam nur hierher, weil ich hörte, daß du begütert seist. Glaubst du, du könntest mich jetzt wegwerfen wie ein Paket? Denkst du, ich werde als eine verschmähte Frau nach England zurückkehren?«
Clay stand auf. »Mir ist es vollkommen schnuppe, was du tust. Jedenfalls kehrst du so schnell wie möglich nach England zurück, und wenn ich dich eigenhändig in den Laderaum werfen müßte.« Er drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Zimmer. Wenn er auch nur eine Sekunde länger vor ihr gestanden hätte, hätte er ihr vielleicht eine Ohrfeige gegeben.
Bianca kochte. Niemals würde sie diesem abscheulichen Mann gestatten, sie sitzen zu lassen. Er glaubte, er könnte zuerst von ihr verlangen, daß sie ihn heiraten sollte, und ihr im nächsten Augenblick befehlen, sich wieder davonzuscheren, als wäre sie eine Dienstbotin. Nicole! Sie war doch das Dienstmädchen, mit dem er so etwas machen konnte! Doch er warf sie, Bianca, über Bord für so ein niedrig geborenes Küchenmädchen.
Sie ballte ihre Hände an ihrer Seite zu Fäusten. Sie würde nicht zulassen, daß er sie wegschaffte! Einer ihrer Vorfahren hatte den Neffen des Königs von England gekannt. Sie war eine bedeutende Person von Macht und Einfluß!
Familie, dachte sie. Diese Männer heute morgen hatten gesagt, sie gehörten zu ihrer Familie. Ja, dachte sie lächelnd. Die würden ihr helfen. Die würden ihr die Plantage verschaffen. Dann würde niemand mehr über sie lachen!
Clay stand unter dem Dach von einer der zahlreichen Veranden, die zu Ellens Haus gehörten. Der kalte Regen prasselte um ihn hernieder und isolierte ihn. Er holte eine Zigarre aus der Tasche, zündete sie an und inhalierte tief. Er hatte in den letzten Tagen genug Zeit gehabt, seine Torheit zu verfluchen; doch heute reichten Flüche nicht mehr aus.
Daß Wes ihm gezeigt hatte, wie Bianca wirklich war, war für ihn eine Offenbarung gewesen, trotz allem, was er zu Wes gesagt hatte. Sein Verstand war stets von der Version von Beth getrübt gewesen.
Er setzte sich auf das Geländer der Veranda, ein langes Bein auf den Boden gestützt, und sah zu, wie der Regen langsam nachließ. Durch die Bäume konnte er einen schwachen Schimmer von Sonnenlicht erkennen. Nicole hatte gewußt, wie Bianca war, überlegte er. Doch Nicole war immer liebenswürdig und freundlich zu der Frau gewesen, hatte nie ein böses Wort gesagt oder sich ihr gegenüber von ihrem Zorn hinreißen lassen.
Er lächelte und warf den Zigarrenstummel in das nasse Gras. Der Regen tropfte von den Dachtraufen; das Wasser auf den Grashalmen funkelte bereits in der Sonne. Er
Weitere Kostenlose Bücher