Gelinkt
Bret Rensselaer, oder was? »Wenn sie ihn konsultieren
wollte, warum geht sie nicht in das Krankenhaus, wo er
praktiziert?«
»Sie müßte jede ärztliche Behandlung melden, erst recht
natürlich jeden Besuch bei einem Psychiater«, sagte Bret. »Sie
werden das doch noch wissen …«
»Sie meinen, sie versucht zu verheimlichen, daß sie nicht
mehr richtig tickt?«
»Sie steht verdammt unter Druck.«
Bernstein zog hastig an seiner Zigarette. »Na schön, also
gut, ich stelle Ihnen wegen dieser Sache nicht viele Fragen,
denn Sie haben mir ja gesagt, daß sie kitzelig ist, aber …« »Aber was?«
»Kennedy ist kein Seelenklempner von der Sorte. Nicht
mehr jedenfalls. An der Klinik forscht er über Massenhysterie
und Halluzinationen. Er behandelt keine Patienten. Er
analysiert Statistiken, hält Vorlesungen und schreibt
Abhandlungen über den Herdentrieb und solchen Quatsch. Die
Klinik wird von einer großen amerikanischen Stiftung
finanziert, und die Arbeiten, die sie veröffentlichen, werden
von verschiedenen Polizeibehörden studiert.«
»Also was ist Ihre Theorie?« fragte Bret.
»Was ich Ihnen sagen kann: Er ist ein gutaussehender
Bursche. Flugzeugfanatiker. Kanadier. Umgänglich,
wohlhabend, gut angezogen, sehr, sehr intelligent und muy
simpatico. Alles klar? Diese Lady Samson … sie ist eine sehr
anziehende Frau.« Er hielt inne. Eine Unterhaltung mit Bret,
wenn dieser in so reizbarer Stimmung war wie jetzt, war immer
wie ein Spaziergang durch ein Minenfeld. Er rauchte seine
Zigarette, als überlege er, was er weiter sagen sollte.
»Vielleicht ist die weiche Schulter und der kanadische Charme
dieses Burschen Kennedy genau das, was ihr fehlt.«
»Gutaussehender Bursche also?«
»Sie haben die Fotos gesehen, Bret.«
»Sah aus wie aus einem Kunststoffbaukasten, richtige
Anziehpuppe.«
»Er zieht sich modisch an, das sagte ich ja schon. Aber
selbst Leute, die ihn nicht mögen, geben zu, daß er was drauf
hat. Guter Flieger, guter Arzt, vielleicht auch guter Liebhaber.
Er ist einer von denen, die bei Examen immer am besten
abschneiden; gewandt, anpassungsfähig und weltmännisch.« »Und auf der negativen Seite?«
»Ich vermute: neurotisch, rastlos und unglücklich. Er kann
sich nirgends auf Dauer binden. Aber viele Frauen fliegen auf
solche Burschen, bilden sich ein, sie könnten ihnen helfen. Und sehen Sie sich ihren Mann an. Ich bin ihm ein paarmal begegnet. Das ist doch nun wirklich ein ungeschliffener
Diamant. Finden Sie nicht auch?«
»Sie haben aber doch gesagt …«
»Daß ich ihn mag. Und das stimmt, ich mag ihn bis zu
einem gewissen Punkt. Er ist vollkommen gradlinig, ich würde
ihm nicht gerne in die Quere kommen.« Das war, wenn man
Bernstein kannte, nur als Ausdruck hoher Anerkennung zu
verstehen. »Er ist ein Mann für Männer. Nicht der Typ, den
man an der Seite einer solchen Dame in Twin-Set und Perlen
zu finden erwartet.«
Bret biß sich auf die Lippe und schwieg einen Augenblick,
ehe er sagte: »Manchmal täuscht …«
»Ach, ich weiß schon, was Sie sagen wollen. Aber ich
mache so was inzwischen doch schon ziemlich lange. Zwei
Leute wie die … Sie besucht ihn in seiner Wohnung, allein, nie
mit ihrem Mann … Er besucht sie niemals zu Hause. Und man
braucht sie nur zusammen zu sehen, um zu wissen, daß er
verrückt nach ihr ist.« Er streifte die Asche am Rande eines
alten Keramikaschenbechers ab, auf dem noch schwach
sichtbar der fromme Wunsch »Lang mögen Sie herrschen.
Krönung 1937« stand. Das Stück war ein Teil der
Porzellansammlung seiner Frau. Er schob es zurück, um es aus
der Gefahr zu bringen, angestoßen oder gar zerbrochen zu
werden, und wartete auf Rensselaers Reaktion. »Es ist
unwahrscheinlich«, erklärte Bret. »Sie sagen, es ist
unwahrscheinlich. Okay. Sie sind der Boß.
Aber machen Sie mal für ein Weilchen meine Arbeit, und
vielleicht geht Ihnen dann auf, daß dieses Wort in diesem
Zusammenhang immer unangebracht ist, denn wenn Jungens
und Mädchen zusammenkommen, ist nichts
unwahrscheinlich.« Bret lächelte, aber ihm war schwer ums
Herz. Auf seine eigene hoffnungslose Weise liebte und
verehrte er Fiona Samson und wollte nicht glauben, daß sie sich solche beiläufigen Liebesaffären leistete. »Okay, Sylvy.
Meistens haben Sie ja recht.«
»Ein erstes Mal gibt’s natürlich immer. Vielleicht trinken
sie ja nur Tee zusammen, sehen sich Bilder von Flugzeugen an
und sprechen über den Sinn des Lebens. Aber ehrlich, ich
glaube es nicht, Bret.«
Bret Rensselaer stand auf,
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