Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
Wochenende.
Als Bret sich wieder hinsetzte, schwiegen beide Männer
eine Zeitlang und lauschten den Müllmännern, die gerade den
Abfall abholten. Sie klapperten mit den Tonnen und schrien
einander zu, und der Müllwagen ließ jedesmal, wenn er
zurücksetzte, ein kurzes, klagendes Tuten vernehmen. »Geben
Sie mir ‘ne Zigarette, Sylvy.«
Bernstein bot ihm eine an und gab ihm Feuer mit seinem
Andenken an den Vietnamkrieg. Ihm fiel auf, daß Bret zitterte,
doch die Zigarette schien ihn zu beruhigen. Bret sagte: »Was
würden Sie von ‘ner festen Anstellung halten?«
»Bei Ihrer Firma?«
»Ich könnte es vielleicht einrichten.«
»Haben Sie es satt, mich aus Ihrer eigenen Tasche zu
bezahlen?«
»Mache ich das?« sagte Bret ruhig.
»Sie verlangen niemals Quittungen.«
»Also, was meinen Sie?«
»Ich würde in diesen britischen Laden nicht passen.« »Aber wieso denn nicht?«
»Die Wahrheit ist, Bret, ich traue den Briten nicht zu, sich
richtig um mich zu kümmern.«
»Wie sollen sie sich denn um Sie kümmern?«
»Wenn ich in Schwierigkeiten steckte. Ich bin Amerikaner. Wenn ich in der Klemme wäre, würden die mich doch kalt
lächelnd den Haifischen überlassen.« Er drückte mit großem
Nachdruck seine Zigarette aus.
»Weshalb sagen Sie das?« fragte Bret.
»Ich weiß, das geht mich nichts an, Bret, aber ich finde, Sie
sind verrückt, denen zu trauen. Wenn die zwischen Ihnen und
einem von ihren eigenen Leuten wählen müßten, was meinen
Sie wohl, was sie täten?«
»Wenn Sie sich’s doch noch anders überlegen, sagen Sie
mir Bescheid, Sylvy.«
»Ich werde es mir nicht anders überlegen, Bret.«
»Ich wußte nicht, daß Sie die Briten so verabscheuen, Sylvy.
Weshalb leben Sie dann eigentlich hier?«
»Ich verabscheue sie nicht. Ich habe gesagt, daß ich ihnen
nicht traue. London ist eine prima Stadt, ich wohne gern hier.
Aber ich mag ihre Selbstgerechtigkeit nicht und die
vollkommene Rücksichtslosigkeit, mit der sie anderer Leute
Gefühle und Eigentum behandeln. Wissen Sie was, Bret, es
gibt nicht einen Engländer, der nicht irgendwann damit
geprahlt hätte, was gestohlen zu haben: in der Schule, beim
Militär, auf dem College oder auf einer Sauftour. Alle durch
die Bank klauen sie gelegentlich, und dann erzählen sie davon,
als sei das der beste Witz, den man je gehört hat.«
Bret stand auf. Manchmal war Bernstein der reinste
Moralapostel, dachte er. »Ich lasse Ihnen das ganze Material
hier«, sagte er. »Gelesen habe ich’s, und ich will es nicht im
Büro haben.«
»Wie Sie wollen, Bret.«
Bret zog die Brieftasche und zählte zwanzig
Fünfzigpfundnoten auf den Tisch. Bernstein schrieb
»Eintausend Pfund Sterling« auf ein Stück Papier, ohne Datum
oder Unterschrift, selbst ohne das Wort »erhalten«. So hielten
sie es bei ihren Geschäften immer.
Bret bemerkte das an der Spitze seines Schuhs zerschnittene
Leder und berührte es, als hoffte er, die Wunde würde von
selber heilen. Er seufzte, erhob sich, zog den Mantel an, setzte
den Hut auf und dachte wieder an Fiona Samson. Er würde sie
darauf ansprechen müssen. Es gab keine Alternative. Aber
heute noch nicht, nicht einmal morgen. Es war viel besser, sie
erst mal nach Berlin zu schicken.
»Diesen Pryce-Hughes«, sagte Bret sehr beiläufig, als er
schon an der Tür stand, »wie schätzen Sie den ein, Sylvy?« Bernstein wußte nicht genau, was Bret hören wollte. »Er ist
sehr alt«, sagte er schließlich. Bret nickte.

8
    West-Berlin, September 1978
Der Nachmittag färbte sich gelb wie altes Zeitungspapier, und in der schweren Luft verbreitete sich der durchdringende Geruch der Linden. In den Straßen Berlins drängten sich die Besucher, eine Kolonne nach der anderen, ausgerüstet mit Stadtplänen, Kameras und schweren Rucksäcken. Jetzt, am Ende des anstrengenden Tagesmarsches, hatten sie es nicht mehr so eilig. Der Sommer neigte sich zum Herbst, und noch immer kamen eine Menge Wessis, unter ihnen auch liebende Eltern, die ihre der Wehrpflicht nach West-Berlin entflohenen Söhne besuchten.
    Nach getaner Arbeit kehrte Fiona seufzend vor Erleichterung in ihr neues »Heim« zurück. Auf dem Garderobentischchen im Flur lag ein noch immer in Cellophan und Papier gewickelter Blumenstrauß. Es sah Bernard ähnlich, daß er sich nicht die Mühe gemacht hatte, die Blumen ins Wasser zu stellen, aber sie rührte sie nicht an. Sie legte Hut und Mantel ab, überzeugte sich davon, daß keine Post in dem Käfig hinter dem Briefschlitz war und auch nicht auf dem

Weitere Kostenlose Bücher