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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Formschnitthecke? Ich schüttelte mich bei dem Gedanken. Ihr einziges Zugeständnis an die augenfällige Zurschaustellung ihres Wohlstands war ein silbergrauer 5er-BMW, der gerade auftauchte. Ein 5er sagt eines: »noch auf dem Weg nach oben«. Noch nicht ganz ein 7er; ein 7er buchstabiert: »Ich bin angekommen.« So ein Auto aber, da hat man noch ein gutes Stück vor sich. Was mir einen gewissen Handlungsspielraum eröffnete.
    »Ist er das?«, fragte ich und zeigte auf den Kerl, der auf der Fahrerseite ausstieg.
    Klein, schlank, schwarzer Anzug und braune Schuhe – exzentrisch oder wieder eine neue Mode, die ich verpasst hatte? So oder so, sein Look gefiel mir nicht.
    »Das ist unser Mann«, sagte Hod.
    Wir gingen hinüber, es gibt da so eine Redewendung – in aller Seelenruhe. Hod setzte eine steinerne Miene auf, hatte sich genau zurechtgelegt, was er sagen wollte. »Mr. Crawford?«
    »Ja?«
    »Mr. Joseph Crawford?«
    »Ja, was gibt’s denn?« Er war sehr leicht nervös zu machen; der Abstand zwischen seinen Augenbrauen und seiner fortgeschrittenen Stirnglatze schrumpfte schnell.
    Hod nahm ihn in die Mangel, zückte ein kleines Notizbuch, schlug es auf, prüfte die Rückenbindung, sagte: »Sie sind Vater eines gewissen Mark Crawford, Angestellter in der Royal-Bank-Filiale an der Nicolson Street … Sie beide wohnen hier in Nummer –«
    Der Richter unterbrach ihn, stellte seine Aktentasche auf die Straße. »Hören Sie, was zum Teufel soll das hier? Das will ich wissen.«
    Ich schaltete mich ein, ging das Stück von Hod zu dem Mann, sagte: »Wir wollen doch nicht, dass hier verstohlen Vorhänge zur Seite geschoben werden. Wir sollten hineingehen.«
    Er warf einen Blick über meine Schulter, vergewisserte sich, dass sämtliche Vorhänge und Gardinen noch an Ort und Stelle waren, hob seine Aktentasche auf. »Was? Wer sind Sie?«
    »Sie haben vor einigen Jahren ein Kind verloren, richtig?« Seine Gesichtsfarbe wechselte. Ich fuhr fort. »Ich glaube, ein Mann namens Fulton war darin verwickelt. Er wurde getötet.«
    Die Stirn des Richters glänzte. »Ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun hat.«
    Die Worte lagen mir bereits auf der Zunge, doch Hod kam mir zuvor. »Sehen Sie, Ihr Sohn wurde am Tatort gesehen.«
    Subtil wie gottverdammt immer; bei Hod könnte selbst Ekel Alfred noch was lernen. Ich übernahm. »Ich möchte Sie nicht beunruhigen, Mr. Crawford, aber ich denke, es ist vielleicht das Beste, wenn wir ins Haus gehen.«
    Die Haustür war makellos in Kornblumenblau gestrichen, das Buntglasfenster war im Art-Nouveau-Stil von Charles Rennie Mackintosh gehalten. Der Richter drehte den Schlüssel im Schloss, drückte die Tür auf. Im Haus hörte ich laute, monotone Dancefloor-Musik. Mein Gott, haben die Kids heutzutage denn kein Ohr mehr für eine Melodie?
    Der Läufer bedeckte nur drei Viertel des Vorraums; drum herum gebohnerte Dielen. Es gab mal eine Zeit, da stand so etwas für Armut – ein Teppichboden war der reinste Luxus –, heute roch es nach Modebewusstsein und Ersatz-Nostalgie. Der Richter stellte seine Aktentasche auf den Garderobenschrank, ließ die Schlüssel des BMW in eine kleine Messingschale fallen.
    »Wollen wir?« Er deutete auf eine Tür.
    Im Wohnzimmer lümmelte unser Jugendlicher auf einem grünen Sofa, hatte die Beine auf der Lehne, las ein Satiremagazin. Der Richter stürmte in den Raum, schlug die Füße vom Sofa und brüllte: »Mach diesen verdammten Müll aus!«
    Ich erkannte ihn sofort als einen der Halbstarken vom Hügel. Jede Faser in mir schrie: »Tritt ihm seine Eier in den Hals!« Ich kämpfte gegen den Drang, ihn von der Couch zu zerren und seinen Kopf mit Fäusten zu bearbeiten. Ich sah Hod an, erwartete irgendein Feedback, aber er war zu sehr damit beschäftigt, die Stuckarbeiten zu betrachten, im Kopf Berechnungen anzustellen. Alte Gewohnheiten lassen sich schwer überwinden: einmal Immobilienmakler …
    Der kleine Schwanz versuchte etwas zu sagen. »Ich hab mir das angehört …«
    »Halt den Mund«, fuhr sein Vater ihn an.
    Als der Knabe sich umdrehte, sah er mich und Hod in seinem Zuhause und biss die Zähne zusammen, als bereite er sich auf einen Kampf vor.
    »Hallo, Mark«, sagte ich. Ich nickte ihm mehrmals in schneller Abfolge zu, wie um die Gedanken zu bestätigen, die ihm jetzt durch den Kopf schossen. »So sieht man sich wieder.«
    »Du kennst diese Männer?«, fragte sein Vater.
    Mark Crawford stand wie erstarrt da, war gefangen zwischen der instinktiven

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