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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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tot …« Sie legte eine Hand auf meine Schulter und sprach mit freundlicher Stimme. »Komm, mein Junge … Sie hätten nichts tun können.«
    Als ich aufstand, kamen zwei Sanitäter aus dem Krankenwagen angerannt. Der eine hatte einen roten Notfallkoffer in der Hand, der andere eine zusammengeklappte Tragbahre. Ich sah ein paar Augenblicke zu, während sie sich auf der Straße an Tupac zu schaffen machten. Es dauerte nicht lange, bis sie anfingen, den Kopf zu schütteln.
    Ich fühlte mich, als hätte man mir Sand in die Glieder gekippt. Ich war wie versteinert, regungslos.
    Eine rote Decke wurde über Tupacs Kopf gelegt. Die Sanitäter legten ihn auf die Bahre und hoben diese an. Er schien überraschend leicht zu sein … Da war nicht viel unter all diesen Lagen Kleidung.
    »Stopp«, sagte ich, als die Bahre fortgetragen wurde. Ich griff unter die Decke und berührte Tupacs schmale Hand. Sie war kalt wie Stein. Ich kannte ihn nur wenige Stunden, doch das war lange genug, dass er meine Seele angerührt hatte.
    Mein Adamsapfel hob und senkte sich. Alles war so schnell gegangen, ich konnte es immer noch nicht fassen. »Tupac, es tut mir schrecklich leid«, sagte ich. »Es tut mir so leid.«

V ier Tage soff ich mich am Koma entlang.
    Der Whisky wurde kistenweise gekauft.
    Doch nichts dämpfte die Erinnerung an Tupacs Tod. Ich konnte das Bild einfach nicht abschütteln, wie er dort auf der Straße lag, nur ein Haufen schmutziger alter Lumpen und zerschmetterter Knochen in einer Blutlache.
    Ich war verantwortlich für den Tod eines unschuldigen Mannes. Eines Mannes, dem das Leben auf vielfältigere Weise übel mitgespielt hatte, als selbst ich es mir vorstellen konnte, hatte in direkter Folge meiner Handlungen den Tod gefunden. Und wie er gestorben war! Mein Gott, das hatte er nicht verdient.
    »Bitte, Gott, sag, dass alles nur ein böser Traum war, und nimm mich an seiner Stelle«, hatte ich gebettelt.
    Selbst jetzt noch, wieder halbwegs nüchtern, hätte ich sofort mit Tupac getauscht. Nicht, um mich von der Schuld zu befreien – das würde ich bereitwillig übernehmen, ich verdiente es –, sondern um in dieser beschissenen Welt, die nichts kennt außer Unrecht, wenigstens ein bisschen Recht wiederherzustellen.
    Ich ließ mich auf dem Boot in meine Koje sinken. Sie hatten Usual bei mir gelassen, nachdem ich jede andere Gesellschaft abgelehnt hatte und er selbst für Mac zu aggressiv geworden war. Der Hund klatschte unermüdlich sein Quietschespielzeug, einen Hotdog, auf mein Bein. Die ersten paar Sekunden war es ja noch putzig, aber dann nervte es nur noch. Er saß da mit dem Spielzeug im Maul, die Augen auf mich gerichtet, links und rechts tropfte der Sabber von dem Hotdog. Dann machte er in einem jähen Anfall von Aktivität einen Satz und klatschte das Ding auf mich, wobei der Sabber in alle Richtungen spritzte.
    »Herrgott, Hund, kannst du mich nicht mal in Ruhe lassen?«
    Wieder dieser treue Hundeblick.
    Schlechtes Gewissen.
    »Okay, okay … k’mher.«
    Ich schnappte mir das Spielzeug und hielt es einen Moment lang fest, während Usual knurrte und es unnachgiebig festhielt. Ich hob ihn vom Boden, aber er behielt die Kiefer weiter fest darum geschlossen.
    »Du bist verrückt, Tier … weißt du das?«
    Unsere Spielstunde wurde vom Klingeln meines Handys unterbrochen.
    »Hallo.«
    »Gus, bist du das?«
    Ich erkannte die Stimme. »Mr. Bacon.«
    »Hallo, Gus.«
    Rasher machte keine Höflichkeitsanrufe. Zumindest nicht bei mir. Gut so, denn ich war auch nicht in der Stimmung für Small Talk.
    »Wir müssen reden«, sagte er.
    Nachdem ich ihm den Knüller des Jahres geliefert hatte, war ich zugegebenermaßen ein wenig still geworden. »Hören Sie, ich bin noch nicht wirklich in der Lage, alles auszuformulieren, was ich bislang habe … Sobald ich aber ein paar publizierfähige Ergebnisse vorweisen kann, sind Sie mit Sicherheit der erste, der sie erfährt.«
    »Freut mich zu hören, aber wir sollten uns wirklich unterhalten, Gus.«
    »Sollten wir das?«
    »Unbedingt.«
    »Also schön, sagen Sie, wann.« Usual machte Männchen und klatschte mir den vollgesabberten Hotdog wieder aufs Bein. Das Ding quietschte.
    »Wie wär’s mit heute Abend? Wir haben für so eine Scheißfortbildung einen Veranstaltungsraum im Salisbury angemietet – kennen Sie das?«
    Das Salisbury hieß früher, als es noch eine verräucherte Kaschemme war, Meteor. Hods Firma war mit der Modernisierung beauftragt worden, damit auch sie ein Stück

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