Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
erzitterte im Türrahmen.
Julie zog die Hand zurück.
Ihre Stiefel zuckten, als ob sie tanzen wollten. Die Nackenhaare stellten sich ihr auf … als ob sie sein Instrument wäre. Als ob er auf ihr spielte.
Zum Teufel noch mal, das würde heute Abend nicht passieren! Der Tod war beschissen. Für den Augenblick war sie am Leben, und das sollte auch so bleiben.
Julie schüttelte den Kopf, um ihn klar zu bekommen, und schob die Tür auf.
Aber Eliot spielte wieder.
Der Klang verwandelte ihre Arme in Wackelpudding. Sie stand hilflos da und lauschte. Er spielte ihr Lied.
Mit ein paar Tönen beschwor er ihre Vergangenheit herauf: Eltern, die gar nicht so übel waren, sie nur einfach nie so recht verstanden … Freunde, die ihr ein neues Leben versprachen … Ihr dann alles stahlen … Auf der Straße, wo sie fürchterliche Dinge tun musste … Und das Ende.
Ein Dreckstück, im wahrsten Sinne des Wortes.
Doch Eliot schuf ein neues Ende. Er kehrte das Unterste zuoberst und sorgte dafür, dass sie etwas empfand, das sie nicht mehr verspürt hatte, seit sie ein kleines Kind gewesen war.
Hoffnung.
Gab es Hoffnung? Wirklich?
Sie hatte einst daran geglaubt, aber da war so viel Schmerz gewesen. Sie hatte herausgefunden, dass es Dinge gab, die den Schmerz verscheuchen konnten: Wein, Kokain und schließlich Heroin.
Sie hatten auch funktioniert. Sie waren toll gewesen. Kein Schmerz. Auftrag erledigt.
Aber nachdem der Schmerz ausgelöscht worden war, hatte sie sich immer an derselben Stelle wiedergefunden – nur mit noch weniger Hoffnung.
Bis sie ganz verschwunden gewesen war.
War es das, was sie nun in ihrer Brust pochen fühlte? Der Glaube, dass immer noch die Chance bestand, das Richtige zu tun, ganz gleich, wie sehr sie den Karren in den Dreck gefahren hatte?
Wie konnte er es wagen, ihr das so entgegenzuschleudern? Hoffnung war nichts, was man aus einem Lied gewann. Leute wie sie hatten keine Hoffnung. Sie nahmen, was sie kriegen konnten, und …
Und was? Nahmen eine Überdosis und starben? Fuhren geradewegs zur Hölle?
Eliot beendete das Stück mit einem schwungvollen Pizzicato-Lauf und steckte seine Geige weg.
Doch ganz gleich, was sie dachte, in ihr war wieder Hoffnung,
warm, stark und tröstlich. Eliot hatte das Gefühl, das sie schon lange begraben und für tot gehalten hatte, wiederauferstehen lassen.
»Nein, nein, nein …«, flüsterte sie ihrem Spiegelbild in der Tür zu. »Tun Sie sich das nicht an, Miss Julie Katherine Marks. Sie sind doch klüger!«
Sie legte sich eine Hand auf die Brust. Unglücklicherweise hatte Klugheit nichts mit dem zu tun, was sie fühlte.
Sie träumte davon, dass es einen anderen Weg gab. Ein anderes Leben. Eine andere Art der Liebe. Es war wie ein Sonnenaufgang in einer endlosen Nacht. Wenn sie wollte, dann konnte dieser transzendente Augenblick der Hoffnung für immer so weitergehen.
Es war reine Magie, nichts Geringeres.
Binnen eines wunderbaren Moments hatte Eliot ihr mehr geschenkt, als die Mohnkönigin ihr in einer ganzen Ewigkeit an Lügen versprechen konnte.
Sealiah hatte ihren Körper zurückkehren lassen, aber Eliot Post hatte dafür gesorgt, dass sie sich lebendig fühlte . Wenn sie ihn jetzt verriet, dann, so wusste sie, würde dieses Gefühl für immer verblassen.
Und das wäre vielleicht schlimmer als der Tod.
Julie presste die Handfläche ans Glas, und ihr Herz schmerzte trotz der Hoffnung. Sie konnte ihm nicht auf Wiedersehen sagen. Was hätte sie schon sagen können? Wie hätte sie vermeiden können, dass der schwarz gekleidete Mann sie sah?
Julie drehte sich um und ging rasch davon – bevor sie es sich noch anders überlegte.
Sie warf einen Blick die Straße hinunter und sah einen 1974er Plymouth Duster. Das würde gehen. Er bestand zwar aus mehr Rost als Stahl, aber er hatte einen V8-Motor und keine nennenswerte Alarmanlage.
Zehn Sekunden und ein eingeschlagenes Fenster später saß sie im Auto, schloss die Zündkabel kurz und lockte den Motor ins Leben.
Sie trat das Gaspedal durch. Je weiter sie sich von diesem
am Arm der Welt in Kalifornien gelegenen Del Sombra entfernte, desto besser würde es für sie sein.
Konnte sie es wirklich schaffen?
Vielleicht war Sealiah nicht allmächtig. Nicht hier. In der Welt des Lichts hatte ihresgleichen Geld und Einfluss, aber sie brauchten Leute wie Julie, um die Drecksarbeit zu erledigen. Wenn Julie schnell und weit genug floh, war es möglich, dass sie entkam. Zumindest hoffte sie das.
Sie schaltete das
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