Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
ihn sicher.
Aber auch Eliot hatte Bedürfnisse. Und gerade jetzt brauchte er einen anderen Mann, um mit ihm über Julie zu sprechen.
»In Ordnung«, sagte Eliot. »Ich habe aber nur ein paar Minuten Zeit.«
»Das wird reichen.«
Louis drehte sich um, und Eliot folgte ihm. Louis ging schnellen Schritts, und Eliot setzte sich in Trab, um mitzuhalten.
»Da war also dieses Mädchen. Ich dachte, sie und ich …« Die Worte blieben Eliot im Halse stecken. »Aber sie ist nicht aufgetaucht.«
Louis’ Lächeln verschwand, und er schürzte die Lippen. »Warte einen Moment.« Er blieb stehen und legte Eliot seine lange Hand auf die Brust wie ein Arzt, der eine Untersuchung vornahm. »Dein Herz schlägt noch«, flüsterte Louis. »Es ist verletzt, aber stark. Du wirst überleben.«
Er drehte sich um, und sie gingen weiter, aber langsamer als vorher.
»Du glaubst es jetzt vielleicht nicht«, sagte Louis, »aber binnen einer Woche wird der Schmerz nachlassen. In einem Monat wird es immer noch höllisch wehtun, aber es wird eher Erinnerung als Wirklichkeit sein.«
Das konnte Eliot fast glauben. Louis schien zu wissen, wovon er redete. Er hatte sicher auch schon mit Frauen zu tun gehabt.
»Sie war etwas Besonderes. Anders. So ein Mädchen hat mich vorher noch nie ein zweites Mal angesehen.«
»War sie schön?«
»Das hübscheste Mädchen, das je nach Del Sombra gekommen ist.«
»Wirklich?« Louis strich sich übers Kinn. »Hübsch und neu in der Stadt?« Seine Augen verengten sich, und sein Gesicht wurde düster. »Natürlich führen sie dich in Versuchung …«
Eliot gefiel Louis’ Gesichtsausdruck nicht. Er hatte ihn schon verrückt und verwirrt erlebt. Er hatte ihn liebevoll konzentriert gesehen, als er auf Frau Morgenröte gespielt hatte. Aber Eliot hatte Louis noch nie für gefährlich gehalten … bis jetzt. Seine Augen glommen.
Eliot wechselte das Thema. »Ich habe die Musik gefunden, die Sie für mich dagelassen haben.«
Das riss Louis aus seinen Gedanken, was auch immer es war, das seine Laune verdüstert hatte.
»Im Durchgang. Mit Kreide auf den Bürgersteig geschrieben«, erklärte Eliot. »Ich habe sie gerade noch gefunden, bevor der Regen sie weggespült hat.«
Louis lächelte, aber es war, als sei das Grinsen auf seinem Gesicht erstarrt, während dahinter etwas anderes vorging.
»Wie faszinierend«, sagte Louis. »Was für ein Glück für dich.«
Schatten des Zwielichts überfluteten die Straße, und der Betonbürgersteig vor ihnen wurde zu Vierecken aus undurchdringlicher Düsternis.
Louis legte Eliot die Hand auf die Schulter. »Reden wir über die Musik, bevor wir weitergehen.«
Louis kniete sich neben ihn. Er zeichnete einen Satz Notenlinien und tupfte Noten auf den Bürgersteig. Es war das Kinderlied, das er Eliot beigebracht hatte.
»Irdische Verstrickung«, sagte Eliot.
»In der Tat. Das ist der erste Teil der Sinfonia dell’esistenza ; das ist Italienisch für ›Die Symphonie des Lebens‹.«
»Ich habe den Rest gesehen, die Mitte und das Ende. Obwohl das letzte Stück etwas verschmiert war, bin ich darauf gekommen.«
Louis’ Lächeln verschwand völlig. »Wirklich?«
»Klar.«
Die Noten, die die Regentropfen gemalt hatten, loderten in Eliots Gedächtnis auf. Es war ein ungeheuer kompliziertes Stück, aber er versuchte dennoch, es zu vereinfachen, so dass er es Louis vorsummen konnte, um zu beweisen, dass er es kannte.
Louis hob einen Finger. »Nicht nötig. Ich kann sehen, dass es wie ein Freudenfeuer in deinen Gedanken lodert.«
Er starrte Eliot tief in die Augen. Es war wie einer dieser seelendurchdringenden Blicke von Großmutter, wenn sie verstimmt war … und doch auch völlig anders und neu für Eliot. Denn Louis sah richtig stolz aus.
»Du hast etwas getan, das ich nie geschafft hätte.« Louis drückte Eliot die Schulter. »Du bist schon besser als ich.«
»Das kann nicht sein.« Eliot spürte, dass er errötete – und weil ihn das verlegen machte, errötete er noch mehr.
»Sei nicht bescheiden. Niemals. Die Leute werden immer versuchen, dich zu etwas Geringerem zu machen, als du bist.
Hilf ihnen nicht auch noch dabei.« Louis sah aus, als blicke er in weite Ferne. »Ja, eine Geige. Natürlich. Saiten. Ich hätte vorhersehen sollen, dass du große Begabungen erben würdest.«
»Ich verstehe nicht. Tut mir …«
Eliot wollte sagen, dass es ihm leidtat, aber dann erinnerte er sich an Louis’ Ermahnung, sich nicht für alles zu entschuldigen. Das war
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