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Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
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kurzgeschoren war und ihm in einer dichten Welle in die Stirn fiel.
    Er lächelte Fiona an, als würde er sie kennen.
    Fiona sah zu Boden. »Meine Großmutter ist nicht zu Hause. Sie ist aber sicher in ein paar Minuten wieder da.«
    »Natürlich.« Seine Stimme war flüssiger Samt. »Aber ich bin nicht nur hier, um sie zu sehen, Fiona. Ich will auch dich und deinen Bruder besuchen.«
    Fiona schaute auf, und drei Dinge wurden ihr gleichzeitig klar.
    Erstens erinnerte die Intensität dieser hellgrauen Augen an die ihrer Großmutter. Aber wo Großmutters starre Blicke rasiermesserscharf sein konnten, waren die Augen dieses Mannes zwar gleichermaßen intensiv, aber irgendwie einladend.
    Fiona ging auf, dass sie ihn weit länger angestarrt hatte, als es höflich war, aber sie konnte einfach nicht anders.
    Zweitens erinnerte sie die Art, wie er da im Türrahmen stand, an Mr. Welmann, den Mann, der heute früh vorbeigekommen war. Fiona hatte ihn völlig vergessen. Worüber hatten er und Großmutter sich nur unterhalten?
    Und zu guter Letzt ließ er sie an den alten Mann denken, der heute Morgen für sie Geige gespielt hatte – weil sie das
genaue Gegenteil voneinander waren. Der Mann vor ihr war kultiviert und roch nach würzigem Eau de Cologne, wohingegen Eliots Freund grob war, schlechte Manieren hatte und nach Sardinen und Schwefel stank.
    Fiona traf selten jemanden, den sie nicht kannte, und doch war sie heute gleich drei fremden Männern über den Weg gelaufen.
    »Aller guten Dinge sind drei«, sagte der Mann zu ihr.
    Sie blinzelte verblüfft. »Wie bitte?«
    »Eure Wohnung war die dritte, mit der ich es versucht habe. Ich habe mich nicht geirrt, als ich davon ausgegangen bin, dass Audrey in einer der obersten Ecken dieses schönen Baus nisten würde.«
    Fiona ertappte sich dabei, dass sie den Mann anlächelte und zur selben Zeit rot wurde, ohne dabei beiseitezusehen, wie sie es normalerweise getan hätte. Es war, als sei er ein alter Freund, obwohl sie sich nicht sicher war, wie sich das anfühlte, denn sie hatte keine »alten Freunde«.
    »Darf ich hereinkommen? Ich bin dein Onkel Henry. Henry Mimes.« 13
    Großmutter hatte nie irgendwelche Onkel, Tanten, Cousins oder Cousinen erwähnt. Fiona wusste dennoch, dass dieser Mann die Wahrheit sprach. Wie sonst hätte sie die Ähnlichkeit und das Gefühl, dass sie ihn schon lange kannte, erklären können?

    Sie trat zurück. »Natürlich. Bitte komm herein.«
    Normalerweise wurden Fremde nicht hereingebeten, aber Fiona dachte nicht lange darüber nach. Der Mann, der behauptete, ihr Onkel zu sein – von dem sie wusste , dass er ihr Onkel war -, strahlte Autorität und Wärme aus. Sie konnte ihn nicht auf dem Flur stehen lassen.
    Als er die Schwelle überschritt, teilten sich die Wolken draußen, und silbernes Licht strömte durch die Fenster.
    Er betrachtete sie. »Du siehst ganz wie deine Mutter aus, als sie in deinem Alter war. Ihr Haar war genauso gelockt wie deines und hat alle jungen Männer verrückt gemacht – obwohl ich zugeben muss, dass du noch einen Tick hübscher bist, als sie es je war.«
    Fionas Gesicht wurde fiebrig heiß. Sie wollte den Blick senken, aber Onkel Henry lächelte und sorgte dafür, dass sie sich ganz gelöst fühlte, so dass ihre Verlegenheit sofort verflog.
    »Hast du meine Mutter gekannt?« Das war das Dümmste, was sie heute überhaupt gesagt hatte. Er musste sie gekannt haben, denn er konnte nur der Bruder ihrer Mutter sein.
    Onkel Henrys Lächeln wurde nicht schwächer, doch Fiona glaubte, dass sie ein kurzes, geistiges Innehalten sah; dann sagte er: »Oh ja, wir standen uns sehr nahe.« Er sah sich in ihrer Wohnung um. Seine ansonsten glatten Züge kräuselten sich vor Verwirrung. »Du sagtest, dass du mit deiner Großmutter hier lebst? Audrey?«
    Die Frage verwirrte Fiona. Wenn er ihr Onkel war, dann machte das Großmutter zu seiner Mutter. Das ließ ihr einen Schauer das Rückgrat hinunterlaufen. Wie konnte jemand nicht wissen, wo seine eigene Mutter wohnte?
    Mit einer lässigen Handbewegung gebot er ihrem Unbehagen Einhalt. »Ich sehe, dass du nicht ganz verstehst. Deine Großmutter und ich kennen uns schon sehr lange, aber nicht so, wie du denkst. Deine Mutter und ich waren Halb geschwister. Derselbe Vater. Unterschiedliche Mütter.«
    Fionas Lippen formten ein vollkommenes O , brachten aber keinen Laut hervor, während tausend neue Fragen ihren Verstand überfluteten.

    Sie sah, dass er darauf wartete, dass sie etwas sagte.

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