Gemischte Gefühle
Leinwand. Auf der Cassette war ein Hardcore-Pomo mit obskuren mystischen Orgien.
Ein wackerer Filmheld hätte jetzt sein Kinn kantig vorg e streckt, wäre rausgegangen und HÄTTE ES DEN SCHU F TEN MAL SO RICHTIG GEZEIGT. Aber ich hatte einen Riesenbammel, daß die mich einfach abknallen würden. Oh nein. Schließlich war ich hier nicht als jugendlicher Held engagiert.
Unter diesen Umständen tat ich das Vernünftigste, was ich tun konnte. Ich haute mich in eine Ecke und versuchte, eine Mütze voll Schlaf zu kriegen.
Berichte, Analysen, Meinungen.
Als ich wieder wach wurde, war es schon hell. Ich hatte e i nen Geschmack im Mund, als hätte ich an einer Müllhalde genascht. Mein Schädel brummte, und ich kam mir wie eine Witzfigur vor.
„ Touristik-Manager verschläft Urlauber-Aufruhr “ , brummelte ich vor mich hin, als ich zum Videophon schlur f te. Wieder tippte ich Roussels Nummer ein.
Er erschien auf dem Bildschirm, als hätte er nur auf den Anruf gewartet. Er sah aus wie ein ausgemusterter Engel, der zu oft unter den himmlischen Brücken schlafen mußte.
„ Was ist los? “
„ Rossi hier “ , sagte ich überflüssigerweise und bemühte mich krampfhaft, wach auszusehen.
„ Das sehe ich. Wo haben Sie gesteckt? “
„ Rom. “
„ Und? “ Er sprang fast in das Aufnahmeobjektiv. „ Unsere Leitung steht erst seit zwei Minuten wieder. Wie sieht ’ s da aus? “
„ Schlecht. “
Er zerraufte sich sein wirres Blondhaar noch mehr. „ Kommen Sie mir jetzt bloß nicht blöd, Rossi. Also, was ist los, aber ’ n bißchen präziser, wenn ’ s geht. “
Ich erklärte es ihm. „ Jetzt ist es wieder ziemlich ruhig “ , schloß ich kühn. Mit einem Ohr horchte ich nach draußen. Es war ruhig. „ Sie haben eine Menge Tranquilizergranaten verschossen. “ Ich salutierte zackig. „ Melde gehorsamst: Rom planmäßig pazifisiert. Vom Einsatz taktischer Ato m waffen wurde zunächst Abstand genommen. “
„ Witzig, witzig. Was soll ’ n die müden Scherze? “
„ Weil unsere Jungs um sich geballert haben wie ’ ne wil d gewordene Söldnertruppe. Mich hätten sie auch fast e r wischt. “
„ Tja, wer ne Schießbudenfigur hat, sollte nicht unter Le u te gehen. “
„ Schönen Dank für die Anteilnahme, Roussel. Ist das e i gentlich ’ ne Bildstörung, oder sehen Sie wirklich so ausg e kotzt aus? “
Er rang sich die Economy-Ausgabe eines Lächelns ab.
Ich leistete mir einen ähnlichen Luxus. Wenigstens hatten wir jetzt unsere Spannung ein wenig abgebaut.
„ Okay, kommen wir zur Sache “ , sagte ich.
„ Es sieht beschissen aus, Rossi. Überall ist die Hölle los. Die haben irgendwelche aggressionsfördernden Psych o pharmaka in unseren Verteiler geschmuggelt. Die meisten sind darauf angesprungen, als hätten sie nur daraufgewartet. Manchmal glaube ich, das wäre alles auch ohne Sabotage übergekocht. “
„ Aber was versprechen sich diese linken Systemveränd e rer von so einem Wahnsinnsattentat? “
„ Linke Systemveränderer? “ Roussel schnaubte. „ Das sind keine Feinde des Systems. Das ist das System selbst. Das ist unsere liebe kapitalistische Konkurrenz, die etwas unorth o doxe Wege zur Gewinnmaximierung einschlägt. Nicht ger a de lehrbuchmäßig, aber sehr wirksam. “
„ Sie meinen …“
„ Na klar! Sie kennen doch unseren netten Konkurrenten aus Kalifornien – Free & easy Travels. Die haben vor der venezolanischen Küste ein ähnliches Projekt gestartet wie wir. Eldorado Island. Aber das läuft nicht. Freie Kapazit ä ten, Break-even-Point noch in weiter Ferne usw. Wir sind zu gut für sie. Aber wenn ’ s bei uns mal schiefgehen würde, kommen die Urlauber natürlich zu ihnen, weil sie die einz i ge, wenn auch zweitrangige, Alternative zu uns sind. Tja, und das probieren sie gerade aus …“
Das mußte ich erst mal verdauen. Ich wollte es nicht glauben, aber im Grunde wußte ich, daß er recht hatte.
„ Wahnsinn “ , sagte ich. „ Wahnsinn, Wahnsinn. Sind Sie sicher? “
„ Na, vor Gericht würde ich ’ s natürlich nicht beeiden. Aber ich weiß, daß es so ist. Die haben unseren Psych o pharmaka-Verteiler gefunden, haben unsere Nachrichte n verbindungen lahmgelegt und unsere wichtigsten Datenspe i cher in die Luft gejagt. Das waren Profis. Die müssen sich in einer solchen Anlage auskennen. Mit ihren linken Parolen lenken die mich nicht ab. Die wollen nur einen Sündenbock aufbauen. Aber in Wirklichkeit war es Free & easy. Das steht für mich fest.
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