Gemischte Gefühle
einen Aktenordner, der neben ihm lag. „ Vor einem knappen Jahr wurde in einer großen, metallverarbeitenden Fabrik in Neapel ein interessantes Experiment durchgeführt. Die Werksleitung hatte Probleme mit Streiks, mutwilligen Zerstörungen und einem zu hohen Krankenstand. Deshalb blies man durch die Klimaanlage ein mildes Psychogas in die Montagehallen und Großraumbüros. Nichts Dramat i sches, nur sogenannte Euphorizer, die den Stimmungspegel ein wenig anheben, die Gemütslage ein bißchen aufhellen. “
„ Sozusagen Licht in das Dunkel des Arbeitsalltags bri n gen “ , ergänzte ich ironisch.
„ Gar nicht so falsch, was Sie da sagen. Das Ergebnis war: Die Leute fühlten sich unbeschwert, arbeiteten lieber – und mehr – und verdienten dadurch auch mehr an Prämien. Und die Produktivität des Unternehmens stieg deutlich an. So hatten beide Seiten ihren Vorteil. “
Meine Faust schlug krachend auf Roussels Schreibtisch. „ Sie wollen mir doch nicht etwa in kleinen Portionen be i bringen, daß Sie diesen hirnrissigen Blödsinn auch hier auf Holiday World gestartet haben? “
„ Doch. Genau das. “ Sein Gesicht war ausdruckslos.
„ Aber wieso denn? Unser Konzept funktioniert doch auch so tadellos! Das braucht keine Unterstützung durch Psych o drogen. “
„ Natürlich funktioniert es prima. Aber mit den Psych o drogen funktioniert es noch besser. Ist ja klar: Wenn die Leute durch Stimmungsaufheller enthemmt werden, kons u mieren sie mehr. Und das ist ja das Wichtigste überhaupt. “ Seine Lippen kräuselten sich sarkastisch.
„ Und damit waren Sie einverstanden? Sie waren nicht dagegen? “
„ Ich bin noch dagegen! “ schnappte er. „ Dieses Projekt ist der größte Unfug, den man machen konnte. Es kann alles in Gefahr bringen. Man spielt nicht mit solchen Sachen he r um! “
„ Ja und? “
„ Der Hersteller dieser Psychodrogen, ein Schweizer Pharmaunternehmen, ist der größte Aktionär von Tour F u tur. Sie haben viel Einfluß. Und sie haben sich nicht g e scheut, das zu zeigen. Aber was noch wichtiger ist: Unsere amerikanische Konkurrenz, Free & easy Travels, baut ger a de auf ihrer Ferieninsel auch so einen Psycho-Sprinkler ein. Unsere Direktion meinte, wir müßten ihnen zuvorkommen. Et voil à , und hier haben wir den Salat. “
„ Und wie geschieht das Ganze? “ fragte ich, um überhaupt etwas zu sagen. Ich war wie betäubt.
„ Ziemlich problemlos. Wir haben da einen Verteiler au f gebaut. Klimaanlage vor allem. Dann noch die Wasserve r sorgung. Jeder braucht Wasser – zum Zähneputzen, für den Morgenkaffee, für die Eiswürfel im Drink. “
„ Aber es ist doch irgendwas schiefgegangen. “
„ Ja. Die Dosierung war zu hoch. Die Leute werden nicht nur euphorisch, sondern leichtsinnig. Oder überdreht. Sie machen die seltsamsten Dinge. Und manche davon sind g e fährlich. Die labilsten Charaktere sind am stärksten betro f fen. “
Ich dachte an meinen Euphorieausbruch heute morgen beim Aufstehen und fühlte mich irgendwie ertappt.
„ Dieser Blödsinn muß aufhören “ , sagte ich schroff.
„ Schon geschehen. Ich habe alles gestoppt. Hoffentlich für immer. Wir werden noch ein Gegenmittel in Umlauf bringen, eine Art Beruhigungsmittel, und dann ist die Sache erledigt. “
„ Ich werde einen Bericht darüber schreiben “ , knurrte ich.
„ Das werden Sie nicht! “ Für einen Augenblick hatte Roussel die Beherrschung verloren. „ Weil Sie nichts darüber wissen. Die Sache ist geheim, verstehen Sie? Nichts davon darf bekannt werden. Ich habe Ihnen reinen Wein eing e schenkt, weil Sie ziemlich durcheinander waren. Also seien Sie auch fair zu mir, und halten Sie den Mund! “
Ich dachte einen Augenblick darüber nach. „ Okay “ , sagte ich schließlich. „ Aber die ganze Angelegenheit schmeckt mir nicht. “
„ Mir auch nicht “ , sagte Roussel. „ Und jetzt gehen Sie wieder an Ihre Arbeit. Ich glaube, Sie haben in Twickenham was zu erledigen, stimmt ’ s? “
Er wandte sich wieder seinen Akten zu und ließ mich ei n fach stehen.
Die Leiche im Keller
Ich ging also nach Twickenham. Und was da geschah, wi s sen Sie ja bereits. Mord im Pfarrhaus. Ein Treppenwitz. Aus unserer Show war Realität geworden. Eine nicht aus der Welt zu schaffende Panne. Wir konnten alle unsere Künd i gungen einreichen.
Ich rief Roussel an, um ihm von der Panne zu berichten.
Als wir auf seinem Bildschirm erschienen, riß er die A u gen auf. Er hatte allen Grund
Weitere Kostenlose Bücher