Gemma
Bryce erblickte, und sie quietschte vor Vergnügen, als
Bryce sie in seine Arme schloss und ihr einen Kuss auf die Wange drückte. Dann
wandte sie sich Gemma zu. Warme, braune Augen betrachteten Gemma einen Moment
lang eingehend, bis Alice' Lippen sich zu einem Lächeln verzogen und sie auch
Gemma zur Begrüßung in die Arme zog.
»Ich freue mich, Euch kennen zu lernen. Bryce, der Schlingel, hat
mit keinem Wort erwähnt, dass er geheiratet hat.« Sie warf Bryce einen
strafenden Blick zu. Zu Gemma gewandt fuhr sie fort: »Das musste ich erst von
Daniels und Tabby erfahren, als sie Jessups Sachen brachten.« Ungeduldig
winkte sie sie ins Haus.
»Kommt herein. Ich habe gerade Tee aufgebrüht.« Sie strich über
ihren angeschwollenen Bauch. »Wir beide trinken nachmittags gern eine Tasse
Tee.«
Schon als die Tür aufging, war Gemmas Blick auf Alice' gerundete
Mitte gefallen. Es gab keinen Zweifel daran, dass – Alice Harper ihr fünftes
Kind erwartete. Dabei konnte sie selbst auch noch nicht allzu alt sein. Gemma
wusste nicht, wie alt Jessup gewesen war, das war unmöglich zu schätzen
gewesen, aber sie vermutete, dass Alice die dreißig noch nicht überschritten
hatte. Wie traurig, dass sie ihren Mann so früh verloren hatte.
»Wann ist es denn so weit, Alice?«, fragte
Bryce und folgte Jessups Frau zusammen mit Gemma in die große Wohnküche. Gemma war
überrascht, dass sich das Leben im Hause Harper anscheinend in der Küche
abspielte.
Eine gertenschlanke ebenholzschwarze Negerin mit wunderschönen,
ebenmäßigen Zügen war dabei, Küchenkräuter zu
zerkleinern, aber als sie Alice mit ihren Gästen erblickte, deckte sie
schnell den Tisch und brachte den Tee, zusammen mit den köstlichsten Törtchen,
die Gemma jemals gekostet hatte. Die ganze Zeit sprach sie kein Wort, sondern
lächelte nur hin und wieder, während sie den Tee eingoss und sich dann wieder
den Küchenkräutern zuwandte.
Liebevoll strich sich Alice über den Bauch. »Im Frühjahr,
wahrscheinlich im April. Und diesmal wird es ein Junge, das fühle ich.«
Bryce verspürte einen schmerzhaften Stich in seinem Inneren, als
er an sein Gespräch mit Jessup zurückdachte und daran, wie sehr sein Freund
sich einen Sohn gewünscht hatte. Nun würde er es nicht mehr erleben, dass Alice
möglicherweise tatsächlich einem Jungen das Leben schenken würde.
»Nun guck nicht so gequält, Bryce. Du siehst aus wie drei Tage
Regenwetter.« Alice nahm Bryce' Hand in die ihre und drückte sie beruhigend. Bryce erwiderte ihren Blick, und es gelang ihm,
sich ein Lächeln abzuringen. Wie konnte Alice nur so verdammt fröhlich sein, wo
sie eben erst ihren Mann verloren hatte? Bryce hätte alles darauf geschworen,
dass Alice Jessup geliebt hatte.
»Ich weiß genau, woran du jetzt denkst, Bryce. Du denkst: >Wie
kann sie nur so verdammt fröhlich sein, wo sie eben erst ihren Mann verloren hat?< Habe ich Recht?« Sie
wartete Bryce' Antwort nicht ab, weil sein plötzlich schneeweißes Gesicht ihr
verriet, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Auch Gemma sah Bryce überrascht
an. Selten konnte man ihm eine Reaktion so deutlich ansehen.
Lächelnd strich Alice Bryce über die zur Faust
geballten Finger. »Glaubst du wirklich, ich würde nicht um Jess trauern,
wenn ich auch nur den geringsten Zweifel daran hätte, dass er noch lebt? Jess
ist mein Leben. Mit ihm habe ich vier ...«, sie strich wieder über ihren Bauch,
»und bald fünf wunderbare Kinder. Und ich weiß, dass Jessup noch lebt. Ich
fühle es einfach ganz tief hier drinnen.« Sie schlug sich mit der Faust auf
die Brust, dort wo ihr Herz schlug. »Jessup lebt, Bryce, und er wird zu mir und
den Kindern zurückkommen.«
Erst als
sie wieder in der Kutsche saßen und auf dem Weg zurück nach Belle Elysée
waren, sprach Gemma Bryce darauf an, was am Nachmittag bei Alice geschehen war.
»Ich weiß es nicht«, meinte Bryce nachdenklich
und strich sich mit Daumen und Zeigefinger übers Kinn. »Ich weiß, dass Alice
und Jessup sich sehr geliebt haben, und ich kann mir ihr Verhalten nur so
erklären, dass sie sich einfach nicht mit seinem Tod abfinden will. Sie
weigert sich, das Unausweichliche zu akzeptieren.« Bryce seufzte. »Es tut weh,
das mit anzusehen.«
Gemma kuschelte sich an ihn. »Und was ist, wenn sie Recht hat?«
Erstaunt sah Bryce sie an. »Ich meine«, fuhr Gemma fort, »was ist, wenn sie es
wirklich fühlen kann, dass Jessup noch lebt? Vielleicht bildet sie sich das
nicht nur ein. Was ist, wenn ihre Liebe
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