Gemma
Herz gebracht, ihn zu zerschneiden. Nun sah sie ihn wieder. Das enge
langärmlige Oberteil war unter dem tiefen Ausschnitt mit Paspeln besetzt, die
es beinahe wie ein Armeejäckchen mit kurzen Schößchen erscheinen ließen,
darunter ein weitfließender mehrschichtiger Rock verziert mit wunderbarer
cremefarbener Spitze.
Ein Kleid nach dem anderen wurde Gemma präsentiert, bis sie sich
entsetzt fragte, wie viele dieser prächtigen Roben Bryce überhaupt für sie in
Auftrag gegeben hatte. Oder hatte die Couturiere ihn falsch verstanden? Mit glühenden Wangen bat
Gemma die Schneiderin, einen Moment zu warten, und eilte die breite,
freischwebende Treppe hinab ins Erdgeschoss. Vor der Tür zu Bryce'
Arbeitszimmer hielt sie inne und klopfte zögernd an die dunkle Eichentür.
»Herein!«, erklang die tiefe Stimme ihres Mannes und Gemma drückte
die Klinke herunter.
Bryce sah sie erwartungsvoll an, als Gemma den Raum betrat. Es
war ungewöhnlich, dass sie ihn am Tage aufsuchte, wenn er in seinem
Arbeitszimmer war.
»Bryce, ich glaube, bei meinen Kleidern hat es ein Missverständnis
gegeben«, stammelte Gemma, plötzlich unsicher, was sie sagen sollte.
Bryce erhob sich und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. »Was
ist los? Gefallen dir die Kleider nicht?«, wollte er stirnrunzelnd wissen. Er
hatte immerhin der Schneiderin die Anweisungen gegeben, nachdem Gemma unwohl
gewesen war. Konnte es sein, dass ihre Geschmäcker sich so grundsätzlich
unterschieden?
»Oh, nein, nein, das ist es nicht«, versicherte Gemma ihm eilig.
»Die Kleider sind wunderschön.« Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, sie sei
undankbar, aber wer sollte diese ganze Pracht tragen?
»Es sind nur so unendlich viele«, meinte sie dann leise und sah
Bryce mit großen Augen an.
Bryce warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Seine Frau
machte sich Sorgen, dass er zu viele Kleider für sie bestellt hatte. Wenn er
das einem der anderen Pflanzer erzählte, würde der sofort Gemma gegen seine
eigene Frau eintauschen wollen.
Ein wenig beleidigt wandte Gemma sich ab. Wenn Bryce ihre Frage
zum Lachen fand, dann sollte er doch sehen, wie er all diese Kleider bezahlen
wollte.
Bryce eilte mit großen Schritten hinter ihr
her und ergriff sie bei den Schultern, bevor sie die Tür erreichen konnte. Er
spürte die Steifheit ihres Rückens, als sie die Schultern straffte.
Sanft drehte er sie zu sich um und drückte ihr Kinn mit Daumen und Zeigefinger
nach oben, bis sie ihn ansah.
»Ich finde es wirklich süß, dass du dir deshalb Sorgen machst,
mein Liebling.« Sein Daumen streichelte zärtlich über ihre Unterlippe. »Aber
glaub mir, diese Kleider sind erst der Anfang. Du wirst eine vollständige
Garderobe brauchen.«
Gemma konnte ihre Augen nicht von seinem Gesicht lösen. Wenn er
so sanft ihre Unterlippe liebkoste, war es ihr unmöglich, klar zu denken.
»Aber so viele Kleider kann ich doch niemals tragen«, wisperte
sie nach einer Weile.
Bryce lächelte. »Die Gelegenheit dazu wirst du schon noch
bekommen«, meinte er, während sich seine Lippen auf die ihren senkten.
Zusätzlich zu den wunderschönen Kleidern, die, wie Madame
Rousseau versicherte, innerhalb der nächsten zwei Wochen fertig gestellt
werden sollten, hatte die Schneiderin auch noch schränkeweise Unterwäsche und
Nachthemden geliefert. Gemma war entzückt, als sie die hauchzarten transparenten
Stoffe an ihre Wange presste und sich vorstellte, wie sie sich schmeichelnd an
ihren Körper schmiegen würden.
Gemma hatte sich durchgesetzt, dass sie
zunächst keine weiteren Kleider brauchte, auch wenn Madame Rousseau protestiert
hatte, dass jede Dame zumindest zwei Morgenkleider für jeden Tag der Woche
benötigte, dazu je zwei Nach mittagskleider, ganz zu schweigen von den Kleidern für den Abend.
Gemma war hart geblieben. Nicht nur, weil sie nicht die Notwendigkeit sah, so viele Kleider zu besitzen, sondern auch,
weil ihr sowieso schon sehr bald diese ganze Pracht nicht mehr passen würde.
Tags darauf fuhr Bryce mit Gemma nach New Orleans, damit sie Schuhe
und Hüte kaufen konnte. Gemma schwirrte der Kopf, als sie eine federbestückte
Kreation nach der anderen im Katalog in Augenschein nahm. Mit Bryce' Hilfe
wählte sie einige Modelle aus, auch wenn der Hutmacher entsetzt war, wie wenige
Hüte Gemma erstehen wollte.
Als sie wieder in der Kutsche waren, nahm Bryce ihre Hand.
»Gemma, du brauchst nicht zu sparen, nur weil du denkst, dass ich es mir nicht
leisten kann. Warum
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