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Gemma

Gemma

Titel: Gemma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Last
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war, als dass sie sie mit jemandem hätte teilen
können. Anscheinend sprach auch Bryce nicht darüber, falls Tabby ihn überhaupt
fragte.
    Jeden
Morgen und jeden Abend lauschte Gemma auf Bryce' Schritte im Gang und hoffte
verzweifelt, dass er sich besinnen und zu ihr kommen würde. Aber jedes Mal,
wenn er den Treppenabsatz erreichte, wandten sich seine Schritte in die andere
Richtung des Hauses und verklangen.
    Wie
lange sollte es noch so weitergehen? Wie lange konnte sie diese Stille zwischen
ihnen noch ertragen? Es war schon schlimm genug gewesen, als sie ihn an Bord
der Dragonfly wusste, weit entfernt und durch einen Ozean von ihr
getrennt. Aber mit ihm im gleichen Haus zu leben, ohne mit ihm zu sprechen,
ohne ihn zu berühren, war eine Tortur, die sie nicht sehr viel länger würde
erdulden können.
    Aber was sollte sie tun? Würde sie es ertragen,
mit Bryce als ihrem Ehemann zusammenzuleben und genau zu wissen, dass er ihrer
beiden Kinder nicht als seine eigenen ansah? Nein, dachte Gemma, das
kann ich nicht. Und das kann ich auch Robert und Cecilie nicht antun. Es
wäre ihnen gegenüber nicht gerecht. Was würden sie empfinden, wenn sie erst begriffen,
dass sie von ihrem Vater nicht geliebt wurden? Wie hatte sich Bryce dereinst
gefühlt? Gemma seufzte. Die Geschichte wiederholte sich, daran gab es keinen
Zweifel.
    Aber anders als es bei Bryce der Fall gewesen
war, würde hier zumindest die Mutter ihre Kinder von ganzem Herzen lieben, mit
aller Kraft und aller Inbrunst, derer sie fähig war. Wenn sie schon nicht die
Liebe ihres Vaters kennen lernen würden, so sollten sie doch niemals an der
Liebe ihrer Mutter zweifeln müssen.

Kapitel 29

    Die Dämmung
war gerade erst als undeutlicher Schimmer am Horizont zu erahnen, als Gemma am
nächsten Morgen langsam auf den Balkon hinausschritt. Sie zitterte in der morgendlichen
Kühle vor Sonnenaufgang und zog den leichten Umhang, den sie über ihr
Nachtgewand geworfen hatte, fester um ihre Schultern. Mit gemächlichen
Schritten wanderte Gemma den Balkon entlang, bis sie die Ostseite des Hauses
erreichte, wo sie sich in einem der weißen Korbstühle niederließ und ihre Füße
unter den Körper zog. Sie wusste selbst nicht, was es war, das sie geweckt
hatte, ob ein Geräusch oder ein Gefühl, aber sie hatte nicht wieder einschlafen
können. Sie war aufgestanden, um nach ihren Kindern zu sehen, aber Robert und
Cecilie hatten still wie die Engelchen in ihren Bettchen gelegen.
    Gemma lehnte den Kopf zurück und lauschte
hinaus in die Dunkelheit. Die Grillen sangen ihr zirpendes Lied, aber schon
bald würden sie verstummen, um erst in der Abenddämmerung ihren Gesang wieder
erschallen zu lassen. Vögel begrüßten den jungen Morgen mit jubelndem
Gezwitscher.
    Langsam, ganz langsam erhellte sich der Himmel. Das helle, beinahe
transparente Grau, das aus dem Osten herankroch, wurde schnell zu einem zarten
Rosa, bevor es in leuchtendes Orange überging, das die bauschigen Wölkchen am
ansonsten klaren Himmel in brennendem Rot entflammte. Ein Kaleidoskop an Farben
ließ den morgendlichen Himmel erstrahlen. Zu kunstvoll, um es jemals
vollständig mit Worten zu beschreiben, offenbarte es sich nur demjenigen, der
sich früh genug erhob, um diesen magischen Augenblick zu genießen.
    Schon leckten die ersten Sonnenstrahlen zögernd über den Horizont,
sanft gefiltert von den langen, grauen Bärten spanischen Mooses an den
Lebenseichen im Garten. Der Himmel im Osten schien Feuer zu speien.
    Überwältigt beobachtete Gemma, wie die Natur dieses Wunder vor
ihren Augen entfaltete. Der lodernde Feuerball der Sonne erhob sich aus den Sümpfen,
und Gemma drehte den Kopf zur Seite, als die ersten warmen Strahlen sie blendeten.
Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte sie eine Bewegung und drehte den Kopf ein
wenig weiter.
    Gemmas Atem stockte. Sie wusste, dass der Anstand ihr gebot, den
Blick abzuwenden, aber sie hätte es nicht über sich gebracht, und hätte ihr Leben davon abgehangen. Nach all diesen
Wochen der Sehnsucht, in denen sie Bryce nicht gesehen hatte, hatten ihre
Schritte sie unbewusst ausgerechnet vor sein
Schlafzimmer geführt. Die hohen Balkontüren standen offen, um die Kühle
der Nacht ins Zimmer zu lassen, und ermöglichten Gemma so einen ungehinderten
Blick in Bryce' Gemächer. Zwar hatte sie gewusst, dass er sich für gewöhnlich
bei Tagesanbruch erhob, aber noch nie hatte sie ihn morgens gesehen.
    Er stand mit dem Rücken zu ihr, den Kopf über die Waschschüssel
gebeugt, um

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