Gemma
Gemmas Babys fern. Zwar besuchte er Gemma so oft
er konnte und so oft Mammy es ihm erlaubte, aber nie trat er hinüber zu den
beiden Krippen, die unter einem Moskitonetz neben Gemmas Bett standen.
Wie oft hatte er auf der langen Reise über den Atlantik gegrübelt,
die Tage gezählt und verzweifelt gehofft, dass es sein Kind war, das Gemma
unter dem Herzen trug.
Nun allerdings gab es keinen Zweifel mehr: Die
Kinder waren nicht von ihm! Denn wären sie es, hätten sie frühestens Anfang
August geboren werden dürfen und nicht bereits Ende Juni. Das hieß, dass
irgendein Unbekannter aus den Gossen Londons der leibliche Vater von Gemmas
Babys war. Bryce fühlte, wie sich sein Herz zusammenzog bei dem Gedanken.
Andererseits hatte Gemma ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um ihnen
das Leben zu schenken. War es da nicht das Mindeste, was er tun konnte, die
Kinder als die seinen anzuerkennen? Wer außer ihm und Gemma sollte es jemals
erfahren, dass er nicht der Vater war?
Langsam schob er die Tür zu Gemmas
Schlafzimmer auf. Sie saß im Schaukelstuhl, den Mammy extra zu diesem Zweck in
ihr Zimmer hatte bringen lassen, und hielt eines der Kinder im Arm. Ein
dunkler Haarschopf war über der spitzenverzierten Decke, in die Gemma das Kind
gewickelt hatte, zu sehen, und Bryce hörte die leisen schmatzenden Geräusche,
als das Baby trank.
Einer ersten Eingebung zufolge wollte Bryce die Tür wieder
schließen, aber dann entschied er sich anders und betrat den Raum. Gemma sah
auf und lächelte ihm zu.
»Komm her«, sagte sie leise und mit
leuchtenden Augen, bevor sie ihren Blick wieder auf ihr Kind senkte. Zögernd
kam Bryce näher, bis er neben seiner Frau stand und auf das kleine Wesen
hinabsehen konnte, das sich an ihrer Brust labte. Das winzige Gesichtchen trug
einen Ausdruck höchster Konzentration. Die Augen waren fest geschlossen,
während sich die kurzen Finger rhythmisch um Gemmas Brust öffneten und
schlossen. Schaumige Milch glänzte auf den Lippen. Als würde es die Anwesenheit
einer weiteren Person bemerken, öffnete das Baby leuchtend blaue Augen und
starrte Bryce an.
Bryce zuckte zusammen. Sein Herz schlug schneller, als er den
klaren Blick auf sich ruhen fühlte. Die Augen, so sehr wie Gemmas, schienen ihn
für einen Moment prüfend zu taxieren, bevor Gemmas Sohn anscheinend entschied,
dass ihm keine Konkurrenz drohte, und die Lider wieder senkte. Ganz allmählich
wurde das Saugen schwächer. Hin und wieder, als würde der Kleine bemerken, dass
er am Einschlafen war, riss er sich zusammen und knetete die Brust seiner
Mutter, während er weitertrank, aber ganz langsam ließen seine Bemühungen
nach.
Mit einem leisen Lächeln bedeckte Gemma ihre Brust und hob ihren
Sohn an ihre Schulter, um ihm leicht auf den Rücken zu klopfen. Ihre Augen
richteten sich auf Bryce, und sie bemerkte seinen faszinierten Blick, den er
nicht von seinem Sohn abwenden konnte.
»Ich habe ihnen noch keine Namen gegeben«,
sagte sie ruhig, aber mit so viel Wärme in der Stimme, dass Bryce vermeinte,
ihre Worte wie ein Streicheln auf seiner Haut zu fühlen. »Ich dachte,
vielleicht ist es dir lieber, wenn wir das gemeinsam entscheiden.«
Das Baby rülpste laut und vernehmlich. Bei Bryce' überraschtem
Gesichtsausdruck musste Gemma lachen. »Seine Manieren lassen noch zu wünschen
übrig, aber sonst ist er bereits ganz der Vater.«
Bryce verspürte einen schmerzhaften Stich in
seinem Inneren. Wer war der Vater der Kinder? Er hatte ernsthaft geglaubt,
dass er, wenn er es sich nur lange genug einredete und nur fest genug daran
glaubte, sich als ihr Vater fühlen würde, aber nun stellte er fest, dass er es
nicht konnte. Aber es waren Gemmas Kinder und sie liebte sie, also würde er sie
als die seinen anerkennen.
Gemma war nicht entgangen, dass ihr Gemahl in Gedanken woanders
weilte.
»Bryce?«, fragte sie, unsicher, was es war, das ihn anscheinend
so sehr beschäftigte.
»Hmm?« Sein Blick verriet, dass er wie aus einem Traum zu erwachen
schien.
»Möchtest du ihn nicht mal halten?« Auffordernd hielt sie ihm das
Kind entgegen, aber Bryce trat schnell einen Schritt zurück.
»Lieber nicht«, lehnte er hastig ab. Sein Blick fiel auf seine
Hände, die so viel größer und rauer waren als Gemmas zierliche Finger. »Was
ist, wenn ich ihm wehtue?«, fragte er, erleichtert, einen Grund gefunden zu
haben, das Kind nicht in den Arm nehmen zu müssen.
»Das wirst du nicht«, lachte Gemma. »Na los, versuche es. Es wird
Zeit, dass du deinen Sohn
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