Gemma
sich, dir zu nahe
zu kommen, aus Angst, du könntest ihn fressen. Sogar Tabby tanzt auf Zehenspitzen
um dich herum. Außerdem habe ich dich nicht ein einziges Mal mit einer willigen
Hure gesehen, während wir ihm Hafen lagen.«
»Ich hatte keine Zeit«, verteidigte Bryce sich lahm gegen diese
letzte Anschuldigung.
»Zum Teufel! Bis zum Hals in Arbeit zu stecken, hat dich noch nie
davon abgehalten, einer Hure die Röcke über den Kopf zu werfen. Ich erinnere
mich, als ich in dein Büro kam und du warst auf dem Schreibtisch ...
»Okay, okay, ich hatte was anderes im Kopf. Zufrieden?« Bryce warf
Jessup einen vernichtenden Blick zu. Er hatte die Zähne zusammengebissen und
die Muskeln entlang seines Kieferknochens zuckten. Die Narbe auf seiner Wange
war eine weiß gezackte Linie.
»Nein. Was hattest du denn im Kopf?«
»Das geht dich verdammt noch mal nichts an!«,
brüllte Bryce ihn an. Jeder an Bord hielt inne bei was immer er gerade tat und
warf neugierige Blicke in Richtung des Captains und des ersten Offiziers.
Niemand konnte sich daran erinnern, dass der Captain Jess Harper jemals
angeschrien hatte. Sie stritten sich, sie diskutierten, aber Bryce Campbell
verlor niemals die Nerven.
»Ich denke, es geht mich sehr wohl etwas an, Capt'n Campbell«,
stellte Jess kühl fest und sprach Bryce absichtlich mit seinem Titel an, wie
jeder andere an Bord es getan hätte. »Ich bin der erste Offizier an Bord dieses
Schiffes und ich bin sehr besorgt, was die Fähigkeit des Captains anbelangt,
dieses Schiff zu führen.«
»Willst du damit andeuten, dass du vorhast, mich als Captain
dieses Schiffes abzulösen?«, fragte Bryce mit gefährlich leiser Stimme. »Das
wäre Meuterei.« Das kalte Schimmern in Bryce' Augen hätte dem härtesten
Seebären Angst eingeflößt, nicht so Jessup Harper.
»Ganz und gar nicht. Ich will damit andeuten,
dass ich mit dir reden will. Vielleicht kann ich dir helfen, das Problem zu
lösen, das dich so offensichtlich beschäftigt.«
Bryce entspannte sich etwas. »Wohl kaum«, stellte er mit einem
trockenen Lachen fest, das nicht einen Hauch von Humor enthielt.
»Lass es mich versuchen. Zwei Köpfe sind besser als einer, wenn es
darum geht, Probleme zu lösen.«
Bryce sah ihn einen langen Moment an, bevor
er sich von der Reling abstieß. Ohne sich umzusehen, polterte er die Stufen
aufs Hauptdeck hinunter und dann weiter hinab in seine Kajüte.
Jeder tat so, als würde er fleißig arbeiten, während der Captain
vorbeimarschierte. Niemand wollte sich dabei erwischen lassen, wie er ihn
anstarrte, auch wenn jeder von ihnen beinahe umkam vor Neugier, welche Laus
dem Captain wohl über die Leber gelaufen war.
Vorsichtig schloss Jessup die Tür zur Kapitänskajüte hinter sich,
bevor er sich umwandte und seinen Freund ansah. »Also, was fehlt dir?«, fragte
er ganz offen.
Bryce stand mit dem Rücken zu ihm und starrte durch das
Achterfenster hinaus auf die endlose Weite des Ozeans.
»Was mir fehlt?«, meinte er nach einer Weile lachend. Jessup
begann an Bryce' Verstand zu zweifeln, als er ihn so lachen hörte. Schließlich
wandte Bryce sich um. Sein Gesicht hätte aus Stein gemeißelt sein können, so
wenig Emotionen gab es preis. Noch nicht einmal ein Muskel zuckte in seiner
Wange. Jessup hatte plötzlich das Gefühl, dass er Bryce Campbell, den Mann, den
er für seinen Freund gehalten hatte, überhaupt nicht kannte. Der Mann, der vor
ihm stand, sah aus wie sein Freund, aber schien ansonsten ein Fremder zu sein.
Jedes Gefühl schien fest in seinem Inneren verschlossen zu sein. Jess war
überrascht, als Bryce schließlich begann zu sprechen.
»Die Geschichte ist ganz kurz und einfach, Jess.« Er atmete tief
ein. »Ich habe geheiratet.«
Jess starrte ihn an, als würde Bryce vor seinen Augen ein zweiter
Kopf wachsen. Sein Mund klappte auf, ohne dass er es bemerkte. Er öffnete und
schloss ihn mehrere Male, sodass er aussah wie ein gigantischer Fisch auf dem
Trockenen.
»Du hast was?«, krächzte er schließlich, nachdem er seine Stimme
wieder halbwegs unter Kontrolle hatte.
»Geheiratet«, antwortete Bryce kühl, noch immer ohne jegliche
Reaktion.
»Aber
wann ... wie ... warum?«, stammelte Jessup und fühlte sich wie ein Idiot dabei,
war aber nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun.
»Wann? Am Morgen, nachdem ich in Kenmore Manor angekommen war.
Wie? Durch einen Priester aus dem Dorf. Warum? Ja also, das ist eine schwierige
Frage. Ich dachte, ich wüsste es während der Trauung, aber
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