Gemma
passiert war.
Gemma.
Er hatte mit Gemma geschlafen und sie endgültig zu seiner Frau
gemacht. Bryce' Hände ballten sich zu Fäusten. Er hatte es nicht gewollt, aber
über kurz oder lang war es unausweichlich gewesen. Zu groß war die Anziehungskraft
zwischen ihnen gewesen, zu groß die Versuchung.
Er warf einen Blick auf seine Frau, die an
seiner Stelle in der Hängematte schlief. Er dachte an ihre wilde Hingabe, ihre
leidenschaftliche Erwiderung seiner Liebkosungen, und seine Lippen verzogen
sich zu einem Lächeln. So viel zu ihrer schamhaften Zurückhaltung, obwohl das
sanfte Erröten ihr gut stand. Wahrscheinlich war sie wütend, weil er zu selbstsüchtig
gewesen war und sie nicht die gleiche Erfüllung gefunden hatte wie er. Sollte
sie ruhig schmollen. Heute Nacht würde er nicht so ausgehungert
sein und würde sich mehr Zeit lassen können.
Entschlossen stemmte Bryce sich hoch und schwang die Beine über
den Rand der Koje.
Mit geschlossenen Augen wartete Gemma ab, bis Bryce sich angezogen
und die Kajüte verlassen hatte. Hatte er sich überhaupt daran erinnert, dass er
sie in der Nacht zu seiner Frau gemacht hatte? Würde er sie jetzt endlich
anerkennen?
So sehr sie darauf hoffte, so sehr fürchtete sie diesen Gedanken
auch. Sie würde nicht mehr frei sein, ihren eigenen Weg zu gehen und selbst
über ihr Schicksal zu bestimmen. Bryce war es gewohnt, Entscheidungen zu
treffen, und er war es gewohnt, dass seine Befehle befolgt wurden. Würde sie
sich ihm unterordnen können? Ihr eigenes Ich aufgeben? Würde Bryce an ihrer
Meinung interessiert sein oder glaubte er auch, dass Frauen nur Stroh im Kopf
hatten und gehorchen mussten?
Und wenn er sie als seine Frau anerkannte?
Wie oft hatte sie sich bis zur gestrigen Nacht ausgemalt, wie es wohl sein
würde, wenn Bryce sie liebevoll in seine Arme nahm und ihr zärtliche
Liebesschwüre ins Ohr flüsterte. Sie hatte sich danach gesehnt, seine Hände
auf ihrem Körper zu spüren, wie an diesem verhängnisvollen Morgen, der ihr
ganzes Leben verändert hatte. Stattdessen hatte er sie im Schlaf überrumpelt.
Keine zärtlichen Liebesworte, keine Schmeicheleien. Er hatte sie noch nicht
einmal geküsst, stellte Gemma mit Tränen in den Augen fest. Er hatte sie
genommen, ohne Rücksicht auf ihre Gefühle, ohne ihre Zustimmung. Sie schien
ihm dabei völlig egal gewesen zu sein, wenn er nur ihrem Körper benutzen
konnte.
Nachdem sie das Schließen der Tür vernommen hatte, schwang sich
Gemma aus der Hängematte. Rasch zog sie sich an, packte die Hängematte weg und
richtete das Bett. Sie hörte Schritte im Gang.
»Komm nur herein, Tabby!«, rief sie ihm zu
und drehte sich um. Der Alte kam auf seinen krummen Beinen in die Kajüte
gewankt und grinste sie an.
»'n schönen Morgen, Miss Gemma. Gut
geschlafen?«
Gemma nickte wortlos, aber die dunklen Schatten unter ihren Augen
sprachen eine andere Sprache. Betrübt schüttelte Tabby den Kopf. Warum nur
musste sein Capt'n es seiner jungen Misses so schwer machen? Warum sah er
nicht endlich ein, was für einen Schatz er mit ihr an Land gezogen hatte?
»Tabby«, riss Gemma ihn aus seinen Überlegungen. »Würdest du
bitte die Wäsche mitnehmen?« Leichte Röte überzog Gemmas Wangen, als sie Tabby
die Wäsche zusammen mit dem Laken übergab. Erleichtert widmete sich Gemma dann
ihrem Frühstück, nachdem Tabby gegangen war.
Auf dem Achterdeck kniff Bryce die Augen zusammen und ließ seinen
Blick über den Horizont gleiten. Wie erwartet, gab es nichts zu sehen, aber die
unendliche Weite des Ozeans gab Bryce die Ruhe, die er zum Nachdenken brauchte.
Nachdem der Schmerz in seinem Kopf unter der frischen Brise auf Deck gewichen
war, konnte er endlich die Ereignisse der letzten Nacht Revue passieren
lassen. Es war beinahe noch besser gewesen, als er es sich erträumt hatte,
gestand er sich ein. Gemma, die Verführerin, war endlich selbst die Verführte
gewesen. Er hatte die Fäden in der Hand gehalten, und als sie endlich bemerkt
hatte, was gespielt wurde, war es zu spät gewesen. Ihr Körper hatte die
Kontrolle übernommen und sich ihm hemmungslos leidenschaftlich hingegeben. Sie
hatten sich perfekt ergänzt. Er hätte sie schon früher nehmen sollen, dann wäre
ihm einiges erspart geblieben.
Wie erwartet, war sie keine Jungfrau mehr gewesen. Trotz der Enge
und des Widerstandes ihres Körpers hatte er am Morgen kein Blut entdecken
können, weder an sich noch auf dem Laken. Dabei hatte er in der Nacht beinahe
den Eindruck gehabt,
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