Gemma
betrat?
Erinnerte er sich überhaupt an das, was zwischen ihnen vorgefallen war? Zwar
hatte sie den Rum in seinem Atem gerochen, aber inwieweit hatte ihn der Alkohol
beeinflusst?
Im Laufe des nicht enden wollenden Tages waren Gemma unzählige
Szenarien durch den Kopf gegangen, aber nach und nach hatte sie sie alle wieder verworfen. Aber was auch immer
geschehen würde, Bryce würde sie nicht als seine Frau in die Arme schließen,
dessen war sie sich sicher. Denn würde er das beabsichtigen, wäre er bestimmt
während des Tages in die Kabine gekommen.
Als sie endlich Bryce' Schritte draußen im
Gang vernahm, waren Gemmas Nerven bis zum Zerreißen gespannt. Um sich nichts
anmerken zu lassen, ergriff sie das Hemd und eine Nadel, ohne zu merken, dass
sie gar keinen Faden eingefädelt hatte. Blind begann sie, die Nadel durch den
weichen Stoff zu führen.
Bei seinem Eintreten suchten Bryce' Augen sofort die zierliche
Gestalt seiner Frau. Sie saß auf der Fensterbank, eine Lampe neben sich, und
war offensichtlich in das Flicken eines seiner Hemden vertieft. Leise schloss
er die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, während er seinen Blick auf
ihr ruhen ließ. Es war erschreckend, aber bereits Gemmas Anblick, wie sie ein
Stück Wäsche stopfte, trieb ihm heiß und pulsierend das Blut in die Lenden.
Er durfte sie nicht so nah an sich herankommen lassen. Sie durfte
nicht so viel Macht über ihn gewinnen.
»Hattest du einen angenehmen Tag?«, fragte er mit rauer Stimme.
Erstaunt sah Gemma auf. Bryce hatte sich noch nie nach ihrem Befinden erkundigt,
und wenn überhaupt, nur das Nötigste mit ihr gesprochen. Sollte die letzte
Nacht tatsächlich eine Besserung ihrer Beziehung herbeigeführt haben?
»Ja, danke der Nachfrage. Und du?«
Bryce grunzte nichtssagend und ging zum
Kabinett, um sich ein Glas Whisky einzuschenken. Versonnen betrachtete er die
goldene Flüssigkeit, als er sie langsam im Glas kreisen ließ, bevor er sie mit
langen Zügen austrank und sich nachschenkte.
Gemma runzelte die Stirn, als Bryce auch das zweite Glas
hinunterstürzte. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass er das Glas abstellte
und die Flasche verkorkte. Ihre Augen folgten ihm, als er vom Kabinett zur
anderen hinteren Fensterfront hinüberschritt und in die Dunkelheit hinaussah.
Bryce löste seinen Zopf und fuhr sich mit der Hand durchs
Haar. Noch immer sah er Gemma nicht an. Ein kalter Schauer lief Gemma über den Rücken.
Ihre Finger verkrampften sich um den Stoff in ihrer Hand.
»Nach dem, was letzte Nacht geschehen ist,« zerriss seine Stimme
die zwischen ihnen lastende Stille, »ist eine Annullierung unserer Ehe
unmöglich geworden. Also habe ich beschlossen, dass ich mich bis zum Ende der
Reise an deinem begehrenswerten Körper erfreuen werde. Immerhin ist eine so
lange Abstinenz für einen Seemann nicht einfach.«
Jedes seiner kalten Worte ließ Gemma zusammenzucken, wie ein
körperlicher Schlag. Unbewusst wich sie Stück für Stück weiter zurück, bis die Scheibe in ihrem Rücken sie stoppte.
Ihre Lippen waren weiß und völlig blutleer, und ihre Hände zitterten.
»Was?«, flüsterte sie erstickt. Das konnte doch nicht sein Ernst
sein. Bestimmt war es nur ein Alptraum und jeden Moment würde sie aufwachen
...
»Was hast du erwartet«, fragte Bryce. »Dass ich dir ewige Treue
schwöre?« Er lachte bitter. »Das, liebste Gemma, habe ich bereits getan – und
mich daran gehalten, ganz im Gegensatz zu dir.« Er wandte sich um.
»Zieh dich aus!«
Bryce' harter Befehl riss Gemma aus ihrer Erstarrung. Stumm
schüttelte sie den Kopf, während sie begann, langsam von der Fensterbank
herunterzurutschen.
Bryce' kalter Blick stoppte sie. »Ich sagte: Zieh dich aus!«,
wiederholte er.
»Nein«, wisperte Gemma mit bebenden Lippen und schnellte sich
vorwärts zur Tür. Ihre Finger strichen bereits über den Riegel, als sie Bryce'
Schritte hinter sich hörte. Mit einem Aufschrei versuchte sie, den Riegel
hochzureißen, doch Bryce' Finger krallten sich in das Rückenteil ihres Kleides.
Gemma fühlte einen Ruck, der sie zurückriss, bevor der dünne Stoff mit einem
hässlichen Knirschen riss. Entgeistert starrte sie an sich herunter, auf ihre
Brüste, die nur noch vom dünnen Batist ihres Hemdchens verhüllt wurden.
»Nun sieh dir an, was du getan hast ...«, rief sie entsetzt und
wollte sich entrüstet zu Bryce umwenden, als dessen Hände sie bereits an den
Schultern packten und herumwirbelten. Ihr Haar fiel ihr ins Gesicht, und
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