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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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Ich grinste ihn an und richtete mich auf.
    »Von Köln nach Gemünd, von Gemünd nach Mechernich …«
    »Wer hat dir denn gesagt, dass ich hier bin?«
    »Dein Bruder.« Matthias stand wieder auf, hob die Akten hoch und sortierte sie auf meiner Bettdecke. »Er war sehr kurz angebunden. Habt ihr Streit?«
    »Nein. Ja. Ich weiß nicht. Doch.«
    Er hielt in der Bewegung inne und schaute mich an.
    »Wir haben uns gestritten. Außerdem liegt Hermann zwei Etagen über mir auf der Intensivstation und kämpft mit den Folgen einer Schädelverletzung.«
    »Das tut mir leid.« Wieder setzte er sich, diesmal mit einem aufgeschlagenen Ordner in den Händen. »Wird das wieder?«
    »Wir hoffen es.«
    »Möchtest du dann lieber nicht …?« Er deutete auf die Unterlagen.
    »Doch!« Ich nickte. »Sein Zustand verbessert sich ja nicht davon, dass ich mir Sorgen um ihn mache, oder?«
    Matthias schwieg einen Moment. Dann blätterte er eine Seite um und fuhr mit dem Finger über die Zeilen.
    »Prutschik hat insgesamt sechsundzwanzig Verfahren angestrengt. Dabei habe ich die, die sich gegen seine Exfrau richten, bereits zusammengefasst.«
    »Da sorgte sich aber jemand um die Beschäftigungsquote unserer Gerichte, wie mir scheint.«
    »Willst du hören, was ich herausgefunden habe, oder willst du deine Meinung kundtun?« Matthias spitzte die Lippen, legte den Kopf auf die Seite und lächelte mich übertrieben freundlich an.
    »Beides. In dieser Reihenfolge«, erwiderte ich und sank zurück in die Kissen.
    »Klagen um das Sorgerecht, den Unterhalt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Umgangsrecht – es gab nichts auf diesem Gebiet, was er ausgelassen hätte.«
    »Hatte er denn Erfolg damit?«, unterbrach ich Matthias erneut. Diesmal schien es ihn aber nicht zu stören.
    »Teilweise. Wenn er keinen Erfolg hatte, verklagte er diejenigen, die seiner Meinung nach schuld waren. Die Mitarbeiter des Jugendamtes, die Verfahrenspfleger. Einmal hat er sogar versucht, den Bürgermeister anzuzeigen.«
    »Gibt es irgendwen, den er in Ruhe gelassen hat?«
    Matthias schüttelte den Kopf.
    »Die Lehrer seines Sohnes, seine eigenen Kollegen, Nachbarn, einfach alle, die in seinen Augen ihm etwas wollten.«
    »Das ist doch krank«, warf ich ein. »Hat dem nie ein Richter Einhalt geboten?«
    »Viele Klagen sind abgelehnt worden, aber das hat nur dazu geführt, dass er seine Kreise noch weiter zog.«
    »Ist unter denen einer, den wir uns näher ansehen sollten?«
    Matthias blickte auf und schüttelte den Kopf.
    »Habe ich ›wir‹ gehört?« Er sah sich um. »Wen meinst du mit ›wir‹? Außer mir sehe ich hier nur noch eine ans Bett gefesselte, beurlaubte Kommissarin, die ja im Leben nicht auf die Idee käme, sich irgendwo einzumischen, geschweige denn …«
    »Warum bist du denn dann gekommen, mit«, meine Geste umfasste den Papierberg, »alldem da, wenn du nicht willst, dass ich weitermache?«
    Für einen kurzen Moment sackte Matthias in sich zusammen. Sein lindgrünes Cowboyhemd schien ihm auf einmal viel zu groß und ließ ihn zierlich erscheinen. In seinen Augen konnte ich die Antwort nur ahnen. Aber auch wenn er sie mir ins Gesicht geschrien hätte, ich wollte sie nicht hören. Matthias war ein Kollege. Und ein Freund. Geschätzt. Gemocht. Gebraucht. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr. Das wusste ich, und er wusste es auch.
    »Prutschik wird irgendwann in der Nacht von Sonntag auf Montag umgebracht. Sauerbier verhaftet Steffen, weil der sich mit Prutschik auf dem Schützenfest heftig gestritten hat und weil er glaubt, Beweise in der Hand zu haben. Prutschiks Exfrau ist angeblich nicht in Gemünd zu dem Tatzeitpunkt, laut Angaben der Nachbarin aber vielleicht doch. Der Sohn freut sich über den Tod des Vaters, war aber ebenfalls nicht anwesend. Mein Bruder meint, er müsse seinem Kumpel helfen, indem er ihm ein falsches Alibi gibt, und macht die Sache damit vermutlich noch schlimmer.«
    Matthias zuckte bei der Erwähnung des Alibis zusammen.
    »Weiß Sauerbier schon …?«
    »Nein.«
    »Wo war die Exfrau?«
    »Laut Aussagen ihres Sohnes in Holland bei den Verwandten ihres jetzigen Mannes. Laut Aussagen der Nachbarin ist sie dort schon länger nicht mehr gewesen.«
    »Was ist mit dem Sohn?«
    »Erst nach der Tat nach Gemünd gekommen.«
    »Hast du das überprüft?«
    Ich verneinte und zeigte auf die Verbände an meinen Beinen.
    »Ich mache das für dich.«
    »Danke. Ich wollte sowieso für einen Tag nach Köln kommen und Dinge erledigen, die erledigt

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