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Gene sind kein Schicksal

Gene sind kein Schicksal

Titel: Gene sind kein Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Blech
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der Einnahme von Opium verspüren. Ganz ähnlich sahen sich die Testpersonen durch den Naloxon-Konsum ihrer guten Placebo-Gefühle beraubt – ihre Zahnschmerzen kehrten zurück. Und auch die Atmung, die durch Opiate typischerweise verlangsamt wird, wurde wieder nervöser.
    Der Psychologe Tor Wager von der University of Michigan in Ann Arbor wollte herausfinden, in welchen Gehirnregionen die Zuversicht in biochemische Prozesse überschrieben wird. [83] Dazu fügten die Forscher männlichen Testpersonen leichte, aber unangenehme Stromschläge und Hitzereize am rechten Handgelenk zu und behandelten sie dann mit einem Scheinmedikament, einer Creme. Anschließend beobachteten sie mittels funktioneller Kernspintomographie, was sich im Gehirn der getäuschten Probanden tat: Tatsächlich verminderte sich die Aktivität just in jenen Regionen, in denen Schmerzen verarbeitet werden: im Thalamus, im vorderen cingulären Kortex und in der Inselrinde.
    Sind diese Schaltkreise im Gehirn durch eine Erkrankung zerstört, ist das Potential zur Selbstheilung verloren. Menschen mit Morbus Alzheimer zum Beispiel erleiden einen regelrechten Verfall dieser Hirnregionen. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass sie in keiner Weise auf vorgetäuschte Behandlungen ansprechen.
    In organisch unversehrten Gehirnen dagegen setzt der Schein nicht nur schmerzstillende Prozesse in Gang, sondern erhöht die Aktivität bestimmter Gene und damit die Herstellung körpereigener Botenstoffe in den Zellen. Das haben Forscher der University of British Columbia an Patienten mit Parkinson-Krankheit nachgewiesen. Kurz nachdem diese wirkstofflose Tabletten erhalten hatten, setzten sie im Gehirn verstärkt den neuronalen Botenstoff Dopamin frei, der zum körpereigenen Belohnungssystem gehört.
    Möglicherweise ist das auch bei anderen Erkrankungen ein zentraler Mechanismus des Placebo-Effekts: Wir erwarten eine klinische Verbesserung und bringen dadurch unbewusst unser Belohnungssystem in Wallung: Dopamin-Moleküle werden im Kopf freigesetzt – und stimmen uns zuversichtlich.
    Erdbeermilch dämpft das Immunsystem
    Auch das Immunsystem kann durch die Erwartung beeinflusst werden. Das hat die Gruppe um den Psychologen Manfred Schedlowski in einer Studie gezeigt. [84] In ihr nahmen 18 gesunde Männer zwei Tage lang alle zwölf Stunden Kapseln mit dem Wirkstoff Cyclosporin ein, der das Immunsystem unterdrückt. Mit den Kapseln tranken sie jeweils ein Glas Erdbeermilch, der die Forscher noch zwei Tropfen Lavendelöl und grüne Lebensmittelfarbe zugesetzt hatten.
    Nach einer Woche Pause setzten die Freiwilligen das Experiment fort: Abermals tranken sie die parfümierte Erdbeermilch und nahmen ihre Medizin – nur dass die Kapseln diesmal gar keinen Wirkstoff enthielten. Der Körperabwehr der Testpersonen fiel das nicht weiter auf. Wie bei Einnahme von Cyclosporin wurde das Immunsystem gedämpft: Die Botenstoffe Interleukin und Interferon wurden vermindert hergestellt und ausgeschüttet; bestimmte weiße Blutkörperchen (T-Helferzellen) reiften nur noch verlangsamt heran.
    Nicht nur bei Menschen, auch bei (anderen) Tieren tritt dieser Effekt auf. Um dies zu untersuchen, verfütterten Forscher an Ratten einen mit Saccharin gesüßten Trunk und spritzten ihnen gleichzeitig ein Zellgift namens Cyclophosphamid: Die Sterblichkeit unter den Tieren stieg dramatisch. Einem Teil der zunächst überlebenden Ratten ersparten die Forscher fortan die Spritzen, gaben ihnen aber weiterhin gesüßtes Wasser. Dennoch starben die Tiere in großer Zahl: Den süßen Trunk brachten sie offenbar mit den Injektionen in Verbindung; deshalb wirkte er in ihrem Körper wie das Zellgift.
    Spritze ist eindrucksvoller als Tablette
    Bei Menschen kommen zu solchen Effekten der klassischen Konditionierung noch die von Ärzten oder Heilern geweckten Erwartungen hinzu. Schon der Anblick von Tabletten kann dazu ausreichen: Blaue Tabletten zum Beispiel schläfern die Leute ein, haben Placebo-Forscher erkannt. Gelbe Pillen üben eine anregende Wirkung aus; rote Kapseln stärken das Herz. Für alle Farben gilt: Markentabletten wecken stärkere Erwartungen als nachgeahmte Produkte (Generika). Viermal am Tag schlucken bringt mehr als zweimal am Tag. Und größere Kapseln wirken stärker als kleinere.
    Wer als Arzt die rechte Methode wählt, kann den Effekt noch steigern. Spritzen und Schneiden etwa zeitigen bessere Ergebnisse als Pillen und Zäpfchen. In einer Studie bekamen herzkranke Menschen entweder

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