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Gene sind kein Schicksal

Gene sind kein Schicksal

Titel: Gene sind kein Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Blech
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wirkstofflose Tabletten verabreicht, oder ihnen wurde ein Schrittmacher eingesetzt, der allerdings gar nicht angeschaltet war. In puncto Placebo schlug die aufwendige Schrittmacher-Implantation das simple Pillenschlucken um Längen.
    Auch das Anbohren der Schädeldecke kann mentale Kräfte freisetzen, das haben amerikanische Ärzte an 30  Patienten mit Parkinson-Krankheit dargelegt. [85] Den Testpersonen wurde gesagt, es gehe um die Injektion fötaler Zellen ins Gehirn; Ziel sei es, das von Parkinson befallene Denkorgan zu verjüngen. Sie wussten aber auch, dass nur einige wirklich, andere hingegen bloß zum Schein operiert würden.
    Die Ärzte spritzten 12  Patienten fötale Zellen ins Gehirn. Die  18 anderen wurden zwar ebenfalls mit Brimborium in den OP -Saal geschoben und betäubt. Dann bohrten die Mediziner jedoch bloß ein wenig die Schädeldecke an.
    Wer wie behandelt wurde, blieb nach den Eingriffen zunächst geheim. Nach einem Jahr schließlich wurden die Patienten ausgiebig zu ihrem Befinden befragt: Für ihr Wohlergehen tat es gar nichts zur Sache, ob die Fötalzellen ins Gehirn gespritzt worden waren oder nicht. Entscheidend war vielmehr, was die Patienten die ganze Zeit über geglaubt hatten.
    Jene, die von einer echten Operation ausgegangen waren, »gaben eine bessere Lebensqualität an als jene, die dachten, sie hätten bloß die Scheinoperation erhalten«, sagt die beteiligte Forscherin Cynthia McRae von der University of Denver [86] . Erst nach der Befragung verriet sie den neugierigen Patienten, wer wie behandelt worden war. Eine Teilnehmerin hatte nach ihrem Eingriff angefangen, Wanderungen zu unternehmen und Schlittschuh zu laufen. Verdattert nahm sie zur Kenntnis, dass sie überhaupt nicht operiert worden war.
    Psychotherapie kann Selbstheilung bewirken
    Natürlich fußen nicht nur manche Methoden der Schulmedizin auf ausschließlich psychosozialen Effekten. Auch Heilpraktiker, alternative Mediziner und Gesprächstherapeuten verstehen es mitunter, die Selbstheilungskräfte ihrer Patienten zu entfachen. Seit Sigmund Freud sind unterschiedlichste Schulen der Psychotherapie entstanden, deren Anhänger jeweils behaupten, die seelischen Probleme ihrer Klientel mit spezifischen Therapieformen zu lösen. Sie wirken, weil sie jene Netzwerke im Gehirn ansprechen, über die auch Placebos ihre Heilkraft entfalten.
    Akupunktur führt zu physiologischen Effekten
    Die Akupunktur und ihr Procedere können ebenfalls Selbstheilungskräfte erwecken. Die Nadeltechnik nach chinesischer Tradition erfreut sich in industrialisierten Ländern großer Beliebtheit. Allein in Deutschland lassen sich jedes Jahr anderthalb Millionen Patienten pieksen und stechen. Je nach Anwendung soll die Prozedur Ekzeme verschwinden lassen, Wechseljahrbeschwerden lindern oder Schwangerschaften fördern.
    Der Forscher Ted Kaptchuk und seine Kollegen an der Harvard Medical School in Boston haben untersucht, inwiefern auch eine nur vorgegaukelte Therapie in der Lage ist, Schmerzen zu lindern. [87] Dazu rekrutierten die Forscher  16 gesunde Testpersonen, die von der Nadeltechnik noch nicht gehört hatten, und erläuterten ihnen anhand einer Schautafel zunächst das Konzept der Akupunktur: beispielsweise, dass es mehr als 300  Akupunkturpunkte gebe, die auf Energiebahnen, den Meridianen, angeordnet seien.
    Sodann drückten sie den Nadelnovizen einen Heizblock, der sich bis auf 52  Grad Celsius erhitzen konnte, an beide Arme. Gegen diese Schmerzen wurden sie an einem Arm akupunktiert; der jeweils andere Arm diente als Kontrolle.
    Die Schmerzen auf der behandelten Seite nahmen viel stärker ab als auf der Kontrollseite – und das, obwohl Ted Kaptchuk die Probanden gleich in zweierlei Hinsicht genarrt hatte. Zum einen ließ er nicht auf richtige Akupunkturpunkte zielen. Zum anderen wurde gar nicht gestochen: Die Nadeln waren nämlich wie die Fühler einer Schnecke konstruiert. Kaum berührte eine Nadel die Haut, zog sie sich zurück.
    Diese Schwindelnadeln beeindrucken nicht nur Testpersonen, sondern auch richtige Patienten, wie eine weitere Studie zeigte. Ted Kaptchuk verglich darin, ob Menschen mit schmerzhafter Sehnenscheidenentzündung besser auf Scheinakupunktur oder auf wirkstofflose Tabletten ansprechen. Das Ergebnis: Die falschen Nadeln erwiesen sich als erheblich effektiver. [88] Den Unterschied führt der Forscher auf die Rituale der traditionellen chinesischen Medizin zurück. Diese aus westlicher Sicht »kulturell neuartige

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