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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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war‘s.«
    »Entschuldige«, wandte Tatarski sich flüsternd an Morkowin, als Semjon wieder vor seinem Terminal saß, »was heißt hpi?«
    »Hairs per inch. Analog zu dots per inch für die Druckerauflösung.«
    »Ah ja. Und Analverdrängung – soll das ein Witz sein?«
    »Nein, so heißt unsere Abteilung.«
    »Komischer Name.«
    »Ja, das hat mit so einer Theorie politischer Wahlen zu tun«, erläuterte Morkowin mit gerunzelter Stirn. »Sie besagt, daß immer drei sogenannte Wow!-Kandidaten antreten müssen: ein analer, ein oraler und ein verdrängender. Frag mich jetzt bitte nicht, was das heißt, du bist hier noch nicht zugelassen. Ich kann mich außerdem selber kaum entsinnen. In normalen Ländern, so viel läßt sich sagen, reichen zwei: ein oraler und ein analer, weil dort die Verdrängung abgeschlossen ist. Wir dagegen sind noch ganz am Anfang, da muß ein verdrängender sein. Den setzen wir auf fünfzehn Prozent im ersten Wahlgang. Wenn es dich interessiert, kann ich dir eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausschreiben, mit der gehst du zu Marlene, Abteilung Volkes Seele, und erkundigst dich.«
    »Schon gut«, sagte Tatarski. »Vergiß es.«
    »Richtig. Mußt dir das Hirn nicht unnötig zukleistern, bei deinem Gehalt. Weniger wissen heißt freier atmen.«
    »Genau«, sagte Tatarski und suchte sich den letzten Satz einzuprägen – für den Fall, daß Davidoff demnächst mit einer Ultra-Light-Variante auf den Markt kam.
    Morkowin öffnete seinen Ordner und nahm einen Stift zur Hand. Aus Diskretion zog Tatarski sich zur Wand zurück, wo eine Menge Zettel und Bilder angepinnt waren. Als erstes fiel ein Poster ins Auge: Antonio Banderas als ukrainischer Nationalistenführer Stepan Bandera im gleichnamigen Hollywood-Streifen. Darauf Banderas mit romantischem Stoppelbart und Stehbalalaika am Rande eines fiktiven ukrainischen Kuhdorfes, düsteren Blicks einen zerschossenen T-34-Panzer betrachtend, der in der von Brennesseln und wilden Sonnenblumen bewucherten Steppe lagert. Ein Blick auf das Grüppchen schnauzbärtiger Bauern in bestickten Ponchos mit Hähnchenmuster, die in die orangerote Photosonne blinzeln, genügte, um zu sehen, daß der Film in Mexiko gedreht worden war. Der Rest des Posters war gefälscht – eine Collage. Ein unbekannter Witzbold hatte an Banderas‘ Oberkörper im Lederkaftan blitzsauber ein Paar stämmige Mädchenbeine montiert, die wiederum in den zu bewerbenden schwarzen Strumpfhosen steckten. Der Slogan unter dem Bild lautete:
    SAN-PELEGRINO
Die Masche läuft nicht.
    Direkt auf dem Poster klebte ein Fax der Firma YOUNG & RUBICAM mit kurzem Text:
    Sergej! Hier die definitiven Markenquark-Korrekturen für das anstehende Quartal:
    Tschubais – predigt grüne Tomaten im Glas / hortet grüne Scheine auf der Bank.
    Lebed – der Schwan aus Marzipan / naughty but nice (mit Einwilligung Salman Rushdies) .
    Jawlinski (Apfel-Koalition) – think different / think doomsday (mit Apple abgestimmt)
    Jelzin – Stabilität im Koma / Demokratie im Arsch.
    Gruß Eddi
    »Tschubais ist ne schwache Nummer«, sagte Tatarski zu Morkowin. »Und wo sind die Kommunisten?«
    »Die werden in der Oralverdrängung getextet. Gott sei Dank. Ich tät‘s nicht fürs doppelte Gehalt machen wollen.«
    »Und, kriegen die dort tatsächlich mehr?«
    »Das schon. Aber manche von denen würden es dir glatt für umsonst machen. Einen lernst du gleich kennen.«
    Neben Banderas hing eine aus dem Farbdrucker stammende Glückwunschkarte: ein doppelköpfiger goldener Adler, der in der einen Kralle eine Kalaschnikow hält und in der anderen eine Schachtel Marlboro. Unterhalb der Krallen in goldener Schrift:
    SANTA BARBARA FOREVER!
Auch Rußland feiert den Tag der heiligen Barbara!
Die Abteilung Russische Idee gratuliert allen Kollegen.
    Rechts von der Karte hing ein weiteres Werbeplakat. Jelzin, übers Schachbrett gebeugt, die Figuren noch in Grundaufstellung. Jelzin schaut von der Seite auf das Brett (was offenbar die Rolle des Hauptschiedsrichters verdeutlichen soll). Anstelle von weißem König und weißem Turm stehen zwei kleine Flaschen: Gewöhnlicher Whisky und Black Label . Bildunterschrift:
    BLACK LABEL
Zeit für die Große Rochade!
    Es klopfte an die Tür. Tatarski wandte sich um und erstarrte: So viele Wiedersehen an einem Tag sprachen nicht dafür, daß es mit rechten Dingen zuging. Maljuta betrat den Raum, der schreibende Antisemit aus Chanins einstiger Mannschaft. Er trug eine russische Trachtenweste made in Turkey

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