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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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sagen wir, im sonnigen Kalifornien – eine letzte Oase der Freiheit gibt, vom Gedanken an Geld unangefochten, und dort läuft Anti-Werbung dieser Art. Zutiefst marktfeindlich in der Form und darum höchst marktfreundlich im Inhalt.«
    Er sah sich gründlich um und flüsterte, da außer ihnen niemand mehr im Saal war:
    »Zum Geschäftlichen. Hier wird, glaube ich, nicht abgehört, aber es kann nicht schaden, leise zu reden. Ich fand es großartig – meine Hochachtung! Exakt nach der Partitur. Hier ist dein Anteil.«
    In Morkowins Hand steckten plötzlich drei Briefumschläge: ein dicker gelber und zwei etwas dünnere.
    »Pack schnell weg. Das da sind die zwanzig von Beresowski, das die zehn von Radujew und hier die zwei von den Wahhabiten. Alles kleine Scheine, sie haben in den Bergdörfern gesammelt.«
    Tatarski schluckte, während er die Umschläge entgegennahm und hastig in die Innentaschen seiner Jacke stopfte.
    »Was meinst du, hat Asadowski wirklich keinen Verdacht geschöpft?« flüsterte er.
    Morkowin schüttelte den Kopf.
    »Ich wüßte schon gern, wie das zugeht!« flüsterte Tatarski, nachdem auch er sich noch einmal umgeblickt hatte. »Das von den Wahhabiten verstehe ich zur Not noch. Aber einen Beresowski gibt es nicht, einen Radujew gibt es auch nicht. Das heißt, es gibt sie schon, aber nur in Form von Nullen und Einsen. Von denen kann man doch schlecht bestochen werden?«
    Morkowin hob ratlos die Hände.
    »Ganz blicke ich da auch nicht durch«, wisperte er zurück. »Vermutlich stehen noch gewisse Interessen dahinter. Vielleicht sind auch irgendwelche anderen Connections involviert, die ihr Image aufpolieren wollen. Denn letzten Endes hängt ja wirklich alles von uns ab. Aber wozu muß man das durchschauen? Wo verdienst du sonst dreißig Mille auf einmal? Nirgends. Also zerbrich dir nicht den Kopf. Über diese Welt weiß im Grunde keiner richtig Bescheid.«
    Der Filmvorführer schaute zur Tür herein.
    »Kollegen, wollt ihr noch lange machen?«
    »Über die Spots reden!« wisperte Morkowin.
    Tatarski räusperte sich.
    »Wenn ich richtig verstehe«, sagte er mit unnatürlich lauter Stimme, »dann ist der Unterschied zwischen normaler Werbung und dem, was wir gesehen haben, etwa wie der zwischen Pop-Musik und Underground, oder?«
    »Genau«, erwiderte Morkowin in gleicher Lautstärke, während er sich erhob und auf die Uhr sah. »Die Frage ist nur: Was ist Underground? Wann zählt ein Musiker zum Underground und wann zum Pop? Wie würdest du das definieren?«
    »Ich weiß nicht«, meinte Tatarski, »das ist für mich Gefühlssache.«
    Sie gingen an dem Filmvorführer vorbei, der in der Tür stehengeblieben war, in Richtung Fahrstuhl.
    »Es gibt eine klare Definition«, belehrte Morkowin seinen Gesprächspartner. »Underground ist eine Musik, deren kommerzielle Essenz in ihrer zutiefst antikommerziellen Ausrichtung besteht. Im Anti-Pop-Kalkül sozusagen. Und um das handhaben zu können, muß ein Underground-Musiker vor allem was vom Pop verstehen und vom Geschäft. Leider sind solche Leute im Musikbusineß eine Seltenheit. Unter den Künstlern, meine ich, nicht unter den Managern. Okay, entspann dich. Hast du deinen Text dabei?«
    Tatarski nickte.
    »Dann laß uns raufgehen. Da kriegst du deinen Koautor, wie Asadowski angewiesen hat. Dem werd ich wohl drei Mille abzweigen, damit er das Skript nicht versaut.«
    In der siebten Etage, wo Morkowin arbeitete, war Tatarski nie zuvor gewesen. Der öde Flur erinnerte an eine sowjetische Bürozeile: verschlissenes Parkett, die Türen mit Schalldämmung aus schwarzem Kunstleder. Letztere trugen allerdings edle Metallschildchen mit Chiffren aus Nummern und den Buchstaben A, O oder V, jeweils in verschiedenen Kombinationen. Vor einer Tür mit dem Schild 1-A-V blieb Morkowin stehen und gab in das Zahlenschloß einen Code ein.
    Morkowins Arbeitszimmer beeindruckte durch Größe und Gediegenheit. Allein der Designerschreibtisch mußte mehr als doppelt so teuer gewesen sein wie Tatarskis Mercedes. Er war fast leer – außer einer Dokumentenmappe gab es nur zwei Telefonapparate ohne Zahlenfeld, eines rot, das andere weiß, und einen merkwürdigen kleinen Metallkasten mit gläserner Deckfläche. Über dem Tisch hing Kunst: ein großformatiges Gemälde, das Tatarski zunächst wie ein Hybrid aus sozialistischrealistischer Landschaftsdarstellung und zen-buddhistischer Kalligraphie erschien. Zu sehen war der schattige Winkel eines Gartens mit hyperrealistisch gemalten

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