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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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ungetrübt und klar. Ein gehörtes Wort vermochte das Leben eines Menschen von Grund auf zu ändern, ihn augenblicklich zum anderen Ufer zu tragen, hin zur uneingeschränkten Freiheit. Doch sind seither viele Jahrhunderte vergangen. Auch wenn Buddhas Worte heute jedem zugänglich sind, ist Erlösung den wenigsten beschieden. Zweifelsohne liegt dies an der neuen kulturellen Situation, die von den Urtexten aller Religionen übereinstimmend als das dräuende »dunkle Zeitalter« prophezeit worden war.
    Brüder im Kampf!
    Dieses dunkle Zeitalter ist angebrochen. Was wiederum in erster Linie auf den Stellenwert zurückzuführen ist, den jüngst im Leben des Menschen die sogenannten optopsychischen Generatoren eingenommen haben, auch Objekte zweiter Ordnung genannt.
    Als Buddha davon sprach, daß der Dualismus durch die gedanklicheTeilung der Welt in Subjekt und Objekt verursacht sei, hat er die Subjekt-Objekt-Teilung Typ 1 im Sinn gehabt. Indes hat die sogenannte Subjekt-Objekt-Teilung Typ 2, die zu Buddhas Zeiten schlicht noch nicht existierte, einen maßgeblichen Einfluß auf das Leben des Menschen gewonnen und ist zum Hauptcharakteristikum des dunklen Zeitalters geworden.
    Um zu erläutern, was wir unter Typ-1 – und Typ-2-Objekten verstehen, sei ein einfaches Beispiel angeführt: der Fernseher. Im ausgeschalteten Zustand ist der Fernseher ein Typ-1 – Objekt. Es ist ein Kasten mit Mattscheibe, auf die zu schauen oder nicht zu schauen uns überlassen bleibt. Fällt der Blick des Menschen auf den schwarzen Bildschirm, wird die Augenbewegung ausnahmslos von eigenen Nervenimpulsen und den in seinem Bewußtsein ablaufenden psychischen Prozessen gesteuert. So könnte diesem Menschen zum Beispiel auffallen, daß der Bildschirm voller Fliegendreck ist. Oder er überlegt, ob er sich vielleicht lieber einen neuen Fernseher mit doppelt so großer Bildröhre kaufen sollte. Oder ob es besser wäre, den Apparat in eine andere Zimmerecke zu stellen. Der ausgeschaltete Fernseher unterscheidet sich in keiner Weise von anderen Gegenständen, mit denen es die Menschen seit Buddhas Zeiten zu tun haben: einem Stein, dem Tautropfen auf einem Grashalm, einem Pfeil mit gespaltener Spitze – alledem, was Buddha in seinen Gesprächen als Beispiel heranzog.
    Wird der Fernseher jedoch eingeschaltet, verwandelt er sich aus einem Typ-1-Objekt in ein Typ-2-Objekt. Er wird zu einem Phänomen völlig anderer Art. Der Fernsehende mag die alltägliche Metamorphose gar nicht bemerken, doch sie ist grandios. Der Fernseher verschwindet für ihn als materielles, Gewicht, Abmessungen und physische Eigenschaften aufweisendes Objekt. Statt dessen hat er nun das Gefühl, in einem anderen Raum zu weilen – ein Gefühl, das allen hier Versammelten bestens bekannt ist.
    Tatarski sah sich unwillkürlich im Zimmer um, als müßte er die Versammelten dort gewärtigen. Dem war selbstverständlich nicht so. Als er das nächste Blatt unter der Planchette hervorgezogen und abgeschätzt hatte, wie lange das Papier noch reichen mochte, kehrten seine Hände auf die hölzerne Tafel zurück.
    Brüder im Kampf!
    Die Frage ist nun, wer es ist, der in diesem fremden Raum weilt. Ist es wirklich der, der vor dem Fernseher sitzt? Wir wollen diese Frage wiederholen, denn sie ist sehr wichtig: Stimmt es, daß derjenige fernsieht, der auf den Fernseher sieht?
    Wir behaupten: nein. Und zwar aus folgendem Grund. Wenn einer auf den ausgeschalteten Fernseher blickt, dann sind – wir sagten es schon – Augenbewegung und geistige Aufmerksamkeit von Impulsen des eigenen Willens gelenkt, so chaotisch sie immer sein mögen. Der schwarze Bildschirm ohne Bild hat darauf keinen oder doch nur einen sehr zurückgenommenen Einfluß.
    Ein eingeschalteter Fernseher hingegen liefert praktisch niemals ein stehendes Bild aus fester Kameraposition, und deshalb kann das von ihm gelieferte Bild nicht als Hintergrund dienen. Dieses Bild verändert sich im Gegenteil außerordentlich schnell. Alle paar Sekunden erfolgt entweder ein Bildwechsel oder ein Kameraschwenk auf einen anderen Gegenstand oder ein Umschnitt auf eine andere Kamera – das Bild wird vom Kameramann beziehungsweise dem hinter ihm stehenden Regisseur unaufhörlich modifiziert. Diese Art Bildänderung wird als Technomodifikation bezeichnet.
    Wir bitten an dieser Stelle um besondere Konzentration, denn die nachfolgende These ist recht schwierig nachzuvollziehen, wenngleich in ihrem Kern sehr einfach. Es könnte außerdem der Trugschluß

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