Generation P
lächelte höflich.
»Nein, nein. Der Witz ist nur, daß der Geist Buddhas auch wieder in Allahs Hand liegt.«
»Wie schon Isikawa Takuboku schrieb: Laß ab, laß ab von diesem Streit«, mischte sich ein mephistophelisch dreinschauender Typ in das Gespräch. »Sagen Sie, ich habe gehört, hier gibt es das Büchlein von Swami Shigalkin Sommergedanken eines sansarischen Wesens zu kaufen. Könnten Sie nachschauen? Bestimmt auf dem Regal dort vorn, nein, weiter hinten, links, unter der Knochenflöte.«
Homo zappiens
Auf Tatarskis Tisch wirkte die Planchette wie ein Panzer auf dem Marktplatz einer mitteleuropäischen Kleinstadt. Die daneben stehende, unangebrochene Flasche Johnny Walker war das Rathaus. Auch der Rote, an dem Tatarski gerade trank, ließ sich einbeziehen: Die lange, schlanke Flasche glich einem gotischen, von der Stadtparteileitung zweckentfremdeten Kirchturm; die um sich greifende Leere im Inneren der Flasche ließ an die ideologische Verschlissenheit des Kommunismus denken, an die Sinnlosigkeit jedweden Blutvergießens und die Krise der russischen Idee im allgemeinen. Tatarski setzte an, trank den Rest aus und feuerte die leere Flasche in den Papierkorb. Velvet Revolution! war sein Gedanke dabei.
Er saß in seinem neuen Rage Against The Macbine-Shirt am Tisch und kämpfte sich durch die Gebrauchsanleitung für die Planchette. Der Kugelschreiber, den er an der Metrostation erstanden hatte, paßte glatt in die Nut und wurde dort festgeschraubt. Er war nun mit einer schwachen Feder verbunden, die die Aufgabe hatte, ihn auf das Papier zu drücken. Dieses – ein ganzer Stapel – lag unter der Planchette bereit. Es konnte losgehen.
Nach einem letzten Blick durch das Zimmer war er schon im Begriff, die Hände auf das Brett zu legen, sprang noch einmal nervös auf, lief im Zimmer hin und her, riß den Vorhang vor das Fenster. Nach kurzem Überlegen stellte er eine Kerze auf den Tisch und zündete sie an. Weitere Vorkehrungen wären lächerlich gewesen. Lächerlich wie die, die er gerade getroffen hatte.
Er nahm wieder Platz und legte die Hände auf die Planchette. So! dachte er, und was nun? Muß etwas gesagt werden oder nicht?
»Geist Che Guevara bitte kommen! Geist Che Guevara bitte kommen!« sagte er – und im selben Moment fiel ihm ein, daß es wohl nicht genügte, den Geist zu rufen, man mußte ihn etwas fragen. »Ich würde gern wissen, ob . . . na, ob es Neuigkeiten gibt im Bereich Werbung, die noch nicht bei Al Ries und Genossen Ogilvy stehen«, ergänzte er. »Damit ich topp informiert bin.«
Sofort fing das Brett unter seinen Händen epileptisch zu zucken an, und der in der Nut sitzende Stift malte große Druckbuchstaben auf den oberen Teil des Blattes:
DER IDENTIALISMUS
ALS HÖCHSTE FORM DES DUALISMUS
Tatarski zog die Hände zurück und starrte einige Sekunden erschrocken auf die Schrift. Dann legte er die Hände wieder hin. Die Planchette geriet erneut in Bewegung, wobei die Buchstaben unter dem Stift diesmal kleiner und akkurater ausfielen:
Nachfolgende Betrachtungen waren ursprünglich für das Organ der kubanischen Streitkräfte Oliva Verde bestimmt. Doch wäre es töricht, auf derlei Nebensächlichkeiten zu bestehen, da wir uns doch inzwischen sicher sein dürfen, daß der gesamte Existenzplan, nach welchem Zeitschriften erscheinen und Streitkräfte agieren, nur eine Abfolge von Momenten der Vergegenwärtigung ist, die wiederum nur dadurch miteinander in Zusammenhang stehen, daß jeder neue Moment das Wissen um den vorherigen einschließt. Wiewohl diese Kontinuität seit undenkbaren Zeiten ungebrochen anhält, ist die Vergegenwärtigung selbst nicht in der Lage, sich zu vergegenwärtigen. Darum ist des Menschen Befindlichkeit im Leben so beklagenswert.
Doch hat der große Kämpfer für die Befreiung der Menschheit Siddharta Gautama in zahlreichen Arbeiten nachgewiesen, daß der Hauptgrund für des Menschens beklagenswerte Befindlichkeit in der Vorstellung selbst zu suchen ist, die der Mensch von seiner Existenz, seinem Leben und seiner beklagenswerten Befindlichkeit hegt, in jenem Dualismus also, der in Subjekt und Objekt zu teilen nahelegt, was nie zu teilen war und nimmer zu teilen sein wird.
Tatarski zog das vollbeschriebene Blatt heraus, legte die Hände auf die Planchette, die daraufhin wieder zu rattern anfing:
Siddharta Gautama wußte diese einfache Wahrheit vielen Menschen nahezubringen, denn ihre Gefühle waren zu seiner Zeit schlicht und stark und ihre innere Welt
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