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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Worten umschrieben: Beresowski spürt, daß das Gespräch in ungute Richtung läuft. )
    Radujew strich sich über den Bartziegel.
    »Al-Halladj hat weise gesprochen: Das größte Wunder ist der Mensch, der das Wunderbare vor seinen Augen nicht sieht. Aber warum so oft, frag ich mich? Einmal gab es, wenn ich mich recht entsinne, siebzehn Urinberührungen in einer einzigen Stunde.«
    »Ja nun, das war wohl für die Quotenstatistik bei der Media-Analyse«, sagte Beresowski verächtlich. »Schmutziges Geld, das dringend zu waschen war, nimmt man an. Aber was interessiert uns das. Wieviel bezahlt wird, so viel wird versendet.«
    Radujews Skelett kippte nach vorn.
    »Stopp mal, stopp. Du willst doch nicht sagen, daß es bei jeder Berührung von Haut und Urin auf deinem Konto klingelt?«
    »Naja. Schon.«
    »Und du hast die Sache persönlich in der Hand?«
    »Was dachtest du! Ich kümmere mich natürlich nicht um den Kleinkram, aber die Fäden laufen bei mir zusammen. Was soll die Frage?«
    »Und du beabsichtigst das auch weiterhin so zu halten?«
    »Klar. Bei dem einen berühren sich Haut und Urin, beim anderen Geld und Konto.«
    Auf Radujews Drahtgitter poppte ein Insert mit ziemlich grob gerendertem Rumpf in jordanischer Kampfuniform. Ein Arm ging hinter die Stuhllehne und zog von dort eine Kalaschnikow hervor, die er auf das Gesicht des Spielgefährten richtete.
    »Was ist denn daran falsch, mein Lieber?« fragte Beresowski leise und hob instinktiv die Hände.
    »Was daran falsch ist? Das will ich dir sagen. Es gibt einen Mann, der es sich bezahlen läßt, Pisse auf Allahs Haut zu verspritzen, und dieser Mann ist noch am Leben. Das ist falsch.«
    Das Insert mit dem jordanischen Kampftorso verschwand, die feinen Drahtgitterlinien kehrten zurück, auch die Kalaschnikow bestand nur noch aus einer schaukelnden gestrichelten Linie. In Beresowskis oberer Gesichtshälfte, auf die die Strichellinie zulief, öffnete sich ein Fenster, darin eine sokratisch gefurchte Stirn, die sich im Handumdrehn mit großen Schweißperlen bedeckte.
    »Beruhige dich, mein lieber Salman, ganz ruhig«, sagte Beresowski. »Zwei Männer mit Kugel im Kopf an einem Tisch, das wäre wirklich zuviel. Bitte reg dich nicht auf.«
    »Ich soll mich nicht aufregen? Jeden Tropfen Urin, mit dem du Allahs Haut für Geld besudelt hast, wirst du mit einem Eimer deines Blutes abwaschen, das sage ich dir.«
    In Beresowskis schmal gewordenen Augen sah man einen fieberhaft arbeitenden Gedanken. Genauso hatte es im Treatment gestanden: fieberhaft arbeitender Gedanke. Tatarski konnte sich nicht vorstellen, welche Technik die Graphiker eingesetzt hatten, um ein so bestechend präzises Ergebnis zu erzielen.
    »Hör mal«, sagte Beresowski, »man könnte es glatt mit der Angst kriegen. Mein Kopf hat keine Panzerung, klar. Aber deiner genauso wenig. Meine Jungs haben alles umstellt, das weißt du. Hast du doch eben über deine Funke erfahren, oder nicht?«
    Radujew lachte.
    »In der Forbes haben sie geschrieben, du würdest jede Situation blitzartig erfassen. Was dich aber nicht davor bewahren könnte, selber eines Tages blitzartig erfaßt zu werden. Stand so in der Forbes. Deine Jungs haben gerade Pause.«
    »Sag bloß, du hast die Forbes abonniert?«
    »Na klar. Tschetschenien gehört jetzt zu Europa. Wir müssen unsere Kundschaft kennen.«
    »Wenn ihr so verdammt viel Kultur habt, wieso hältst du mir dann die Knarre an den Kopf?« wurde Beresowski fuchtig. »Wieso können wir nicht wie zwei Europäer miteinander reden, ohne diese barbarischen Sitten?«
    »Rede.«
    »Du hast gesagt, ich hätte jeden Tropfen Pisse mit einem Eimer Blut abzuwaschen.«
    »Das habe ich gesagt«, bestätigte Radujew würdevoll, »und ich kann es noch einmal sagen.«
    »Aber Pisse läßt sich nicht mit Blut abwaschen. Blut ist nicht Meister Propper.«
    (Der Satz Pisse läßt sich nicht mit Blut abwaschen hätte der ideale Slogan für eine auf Rußland zugeschnittene Meister-Propper-Werbung sein können, fiel Tatarski ein – aber er genierte sich, vor Asadowski sein Büchlein zu zücken, außerdem war es zu dunkel zum Schreiben.)
    »Das ist wahr«, sagte Radujew.
    »Und außerdem wirst du mir zustimmen, daß nichts auf der Welt gegen Allahs Willen geschieht?«
    »Richtig.«
    »Dann weiter. Meinst du, ich hätte . . . na, ich hätte . . . das tun können, was du mir vorwirfst, wenn es nicht Allahs Wille gewesen wäre?«
    »Nein.«
    »Weiter«, fuhr Beresowski schon gelassener fort. »Versuch

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