Genesis Secret
und stöberte eine genüssliche Stunde lang in den Regalen. Anschließend ging er in den Computerladen und kaufte Kartuschen für seinen Drucker. Dann fiel ihm der Besuch von Christine ein, und er hielt an einem Supermarkt, um etwas frische Limonade sowie drei Schalen Erdbeeren zu kaufen. Sie könnten im Garten in der Sonne sitzen und Erdbeeren essen.
Auf der Fahrt zurück zu seinem Cottage summte de Savary eine Melodie. Bachs Doppelviolinkonzert. Was für ein wundervolles Musikstück! Er beschloss, sich bei nächster Gelegenheit eine neue Einspielung herunterzuladen.
Wieder zu Hause, googelte er eine Stunde lang in seinem Arbeitszimmer, bis er den Türklopfer hörte. Und da war Christine. Lächelnd und von der Sonne gebräunt, mit einem zauberhaften blonden kleinen Mädchen im Schlepptau. De Savary strahlte vor Freude: Er hatte immer schon gefunden, dass Christine die Sorte Frau war, die er hätte lieben können, wäre er nicht schwul gewesen: attraktiv und sexy, aber auch scheu und irgendwie unschuldig. Und selbstverständlich hochbegabt und klug. Und diese gesunde Bräune stand ihr ganz hervorragend. Ebenso wie das kleine Mädchen an ihrer Seite.
Christine legte der Kleinen die Hand auf die Schulter. »Das ist Lizzie, Roberts Tochter. Ihre Mutter hat den ganzen Tag ein Seminar … deshalb bin ich heute sozusagen ihre Adoptivmutter.«
Das Mädchen machte einen süßen Knicks, als würde sie der Queen vorgestellt. Sie kicherte und schüttelte de Savary feierlich die Hand.
Während ihm Christine durchs Haus in den Garten folgte, erzählte sie ihm allen möglichen Klatsch und Geschichten und Theorien: Es war, als wären sie wieder in seinem Büro im King’s. Zusammen lachen und sich auf hohem Niveau unterhalten: über Archäologie und Liebe, über Sutton Hoo und James Joyce, über den Fürsten von Palenque und die Bedeutung von Sex.
Im Garten schenkte de Savary seinen Besucherinnen Limonade ein und bot ihnen die Erdbeeren an. Christine erzählte angeregt von Rob. De Savary konnte die Verliebtheit in ihren Augen sehen. Lizzie sagte, sie freue sich auf ihren Papa, weil er ihr einen Löwen mitbringen würde. Und ein Lama. Dann fragte sie, ob sie am Computer spielen dürfe, und de Savary erlaubte es ihr bereitwillig, solange sie bliebe, wo sie sie sehen konnten. Das kleine Mädchen hopste ins Haus und saß, in ihr Computerspiel vertieft, hinter der offenen Glastür.
De Savary war froh, dass er sich jetzt offener mit Christine unterhalten konnte, denn er wollte über etwas ganz Bestimmtes mit ihr sprechen. »So«, sagte er. »Jetzt erzähl mal von Göbekli. Das hört sich ja alles höchst incroyable an.«
In der nächsten Stunde berichtete Christine in groben Zügen von der Grabung. Als sie endete, hatte die Sonne gerade die Baumspitzen drüben bei den Auen erreicht. Der Professor schüttelte den Kopf. Sie diskutierten mögliche Gründe für das unerklärliche Zuschütten der Stätte. Dann redeten sie über den Hellfire Club und das Schwarze Buch, zwei engagierte und helle Köpfe mit ähnlichen kulturellen Interessen: Literatur, Geschichte, Archäologie, Malerei. De Savary bereitete der Gedankenaustausch mit Christine großes Vergnügen. Als ihm Christine, ganz en passant, erzählte, dass sie versuche, Rob die abschreckenden Freuden James Joyces, des großen irischen Wegbereiters der Moderne, nahezubringen, blitzten de Savarys Augen. Es lieferte ihm das Stichwort, auf eine seiner jüngsten Theorien zu sprechen zu kommen. »Übrigens habe ich erst kürzlich wieder einen Blick in James Joyces Werk geworfen, und dabei ist mir etwas aufgefallen …«
»Ja?«
»In Ein Porträt des Künstlers als junger Mann gibt es eine Passage, bei der ich mich gefragt habe, ob …«
»Was?«
»Wie bitte?«
»Was war das?!«
Dann hörte er es. Ein lauter, dumpfer Schlag. Er kam aus dem Cottage. Ein seltsames, lautes und ominöses Krachen.
De Savarys erster Gedanke galt Lizzie. Er sprang auf und drehte sich um, aber Christine stürmte bereits an ihm vorbei. Er ließ sein Limonadenglas auf den Rasen fallen und lief ihr nach, und dann hörte er etwas Schlimmeres: einen gedämpften Schrei.
Er stürzte ins Haus und fand Christine in den Händen mehrerer junger Männer in dunklen Jeans und Sturmhauben. Nur ein Mann war nicht maskiert. Er war schwarzhaarig und attraktiv. De Savary erkannte ihn sofort. Er hatte das Bild der Überwachungskamera gesehen, das ihm Forrester gemailt hatte.
Es war Jamie Cloncurry.
Am liebsten hätte de
Weitere Kostenlose Bücher