Gentec X 03 - Fluchtpunkt Amazonas
Verteidigungsanlagen sind ausgefallen. Feindliche Einheiten brechen durch, wir können sie nicht mehr aufhalten. Dass die Gencoys mich noch herausfunken lassen geschieht nur als Demonstration ihrer Macht. Auch das Pentagon fällt, Oldwaters Einheiten dringen ins Weiße Haus ein. In Washington toben Straßen- und Luftkämpfe. Die Drohnen sind überall. Sie schießen unsere Düsenjäger ab, soweit diese nicht von selbst abstürzen, weil ihre Bordcomputer versagen. Wir begingen den Fehler, uns auf den Gentec-Konzern zu verlassen. Sie haben uns reingelegt.«
Das zu hören war für uns alle ein Schock.
»Aus der Luft, zu Land und zu Wasser greifen sie an«, gab Bender durch. »Über der Erde und unter der Erde. Sie kommen durch die Kanalisation. Es ist der Weltuntergang! – Hier zeigen sie ihre ganze Macht. Wir erhalten aus den anderen Ländern und von unseren Außenstellen keine Meldungen mehr. – Ich gestehe, versagt zu haben. Wir haben die Gefahr nicht erkannt. Die CIA-Zentrale kann nicht mehr lange verteidigt werden. Deshalb muss ich die CIA auflösen.«
Ein Brummen ertönte. Die Bildfunkverbindung vermittelte es. Plötzlich wackelte das Bild. Hinter dem CIA-Chef flimmerte es. Er feuerte mit dem Laser in das Flimmern, das wieder erlosch. Auf dem Bildschirm sah ich, dass Schweißperlen auf seiner Stirn standen.
»Ich werde mich nicht ergeben«, sagte er. »Diese Sendung wird nun automatisch abgestrahlt. – Hi, Norman, was gibt es? – Miss Coleman, ich wusste nicht, dass Sie da sind.«
Die Kamera in der CIA-Zentrale erfasste einen Mann und eine Frau, die ich beide kannte.
Der Mann war Norman Hoffard, ein hochrangiger Führungsoffizier der CIA. Bei der Frau jedoch, die ihn begleitete, handelte es sich keine andere als die Außenministerin der Vereinigten Staaten, die der kürzlich von den Gencoys ermordete Präsident Otis Coker im vergangenen Jahr anlässlich der militärischen Intervention im Nahen Osten eingesetzt hatte, als der vorige Außenminister zurückgetreten war.
Harriet Coleman war eine Farbige mit einem sehr hohen Intelligenzquotienten und bestechend gutem Aussehen. Sie wirkte immer gepflegt, und man sah ihr ihre 48 Jahre nicht an. Hinter ihrem Lächeln verbarg sich ein stählerner Wille, und es hieß, sie hätte in der Außenpolitik mehr zu sagen gehabt als der bullige Texaner Coker.
Die Außenministerin war mir immer als übermenschlich oder gar unmenschlich erschienen. Sie war einfach zu gut, um wahr oder realistisch zu sein. Schlaf schien sie ebenso wenig zu kennen wie Erschöpfung, und selbst in der hitzigsten politischen Debatte vergoss sie keinen Schweißtropfen.
Sie trug ein dunkles Businesskostüm, eine geschmackvolle Bluse, Perlenohrringe und zeigte ihr stählernes Lächeln , wie es die Medien nannten. Wie immer war sie sorgfältig frisiert.
»Mr. Bender, ich setze Sie hiermit als Chef der CIA ab«, sagte sie. »Norman Hoffard wird Sie ablösen. Eigentlich wollten wir ein Double für Sie nehmen, doch der Gehirntrust hat anders entschieden. – Gencoy One hat weltweit die Zweite Phase von Plan Drei eingeleitet.«
»Was? Wie?«, fragte Bender. »Frau Minister, ich verstehe Sie nicht.«
Harriet Coleman streckte die Hand aus. Von ihren Fingerspitzen sprühte ein Nebel in Benders Gesicht. Der CIA-Chef sackte betäubt mit glasigen Augen zusammen.
»Ab zur Verwertung mit ihm«, befahl Harriet Coleman.
Sie schaute in die Kamera.
»Eure Zeit ist abgelaufen. Das Universum hat keinen Platz für euch. Ihr seid von der Evolution überholt.«
Ihr Lächeln war grauenvoll, weil wir jetzt wussten, was dahinter steckte: Die Außenministerin der Vereinigten Staaten war kein Mensch, sondern eine genetische Züchtung, ein Überwesen. Vielleicht war sie das schon immer gewesen, vielleicht hatte man sie irgendwann ausgetauscht.
Ihr Wissen hatten die Gencoys in dem Fall gestohlen, aufgezeichnet, ihre messerscharfe Intelligenz vielleicht noch verschärft, all ihre Erinnerungen übernommen. Und durch einen unmenschlichen Intellekt ersetzt.
»Norman Hoffard ist kein Double, ihm wurde ein Implantat ins Gehirn gepflanzt, das ihn zu einem der Unseren macht«, teilte Harriet Coleman uns mit. Sie lächelte, und ich sah eisige Kälte in ihren Augen. »Wer zu uns überwechseln will, kann sich ergeben. Er soll sich dann bei den Sammelstellen einfinden, die wir noch bekannt geben werden. Menschen, die für uns von Wert sind, dürfen mit einem Gehirnimplantat weiterexistieren.«
»Wie lange?«, fragte ich,
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