Georgette Heyer
Das möchte ich dir auch geraten haben. Und weil ich gerade daran
denke, Fratz, du darfst auch nie mehr einen Mann in seiner Wohnung besuchen.»
«Das weiß ich, Sherry, aber das Ganze war
so schwierig, weil George nicht mehr in unser Haus kam und ich nicht wußte, was
ich sonst tun sollte.»
«Das ist
alles ganz gut und schön», erwiderte Sherry streng, «aber du hättest
keinesfalls mit deiner eigenen Equipage zu ihm fahren dürfen. Hast du nicht
genug Verstand, um dir bei einer derartigen Gelegenheit eine Droschke zu
nehmen?»
«Daran habe
ich nicht gedacht», sagte sie harmlos. «Wie dumm von mir. Das nächste Mal werde
ich schon vernünftiger sein. Ich bin so froh, Sherry, daß ich dich habe, um mir
all diese Dinge zu sagen, denn Cousine Jane machte mich nie auf so etwas
aufmerksam.»
Es fiel
Seiner Lordschaft auf, daß die weltliche Weisheit, die er seiner jungen Frau
vermittelt hatte, keineswegs das war, was er ihr hatte sagen wollen, aber nach
all den Aufregungen des Morgens fühlte er sich außerstande, auf die ethischen
und moralischen Aspekte einer Angelegenheit weiter einzugehen, die, wie er
genau wußte, nichts als ein harmloser Besuch in Georges Wohnung gewesen war.
Er sagte ihr, daß sie das unter keiner Bedingung wieder tun dürfe, worauf er
das Thema fallenließ.
Sherry
hatte sich doch sehr erleichtert gefühlt, als George in die Luft schoß, und
nicht einmal der Besuch seines Finanzberaters vermochte seine von einem etwas
überschwenglichen Optimismus getragene Stimmung zu beeinträchtigen. Seine
Lordschaft war fest davon überzeugt, daß ihm das Glück in kürzester Zeit wieder
hold sein werde, da es lächerlich war, anzunehmen, eine Pechsträhne könne ewig
währen. Mr. Stoke, außerstande, die sanguinische Überzeugung seines Klienten zu
teilen, sah sich genötigt, eine niederschmetternd große Zahl von Fällen zu
zitieren, die dies widerlegten. Der Viscount jedoch, der mit ziemlicher
Ungeduld den abscheulichen Bericht angehört hatte, in dem es sich um einen
reichen Gentleman handelte, der sich, als er selbst den Rock auf seinem Leibe
verspielt hatte, an einem Laternenpfahl erhängte, während sein letzter
Gläubiger darauf wartete, seinen Rock einzukassieren, sobald er dahingegangen
war, führte in Verteidigung seiner Theorie triumphierend an, daß er erst vor
drei Tagen bei einem Wettrennen zwischen einem Truthahn und einer Gans auf den
Sieger gewettet hatte. Er war in der Tat ziemlich überrascht, als er die Summe
seiner Verpflichtungen zu Gesicht bekam, und sah ein, daß der dauernde Verkauf
seines Aktienbesitzes eine höllisch schlechte Sache sei.
«Der
nächste Schritt», sagte Mr. Stoke ruhig, «und ich bin überzeugt, ich brauche
das Eurer Lordschaft nicht erst zu erklären, wäre der Verkauf Ihres
Grundbesitzes.»
Der
Viscount hatte bei mehr als einer Gelegenheit seine Abneigung gegen Sheringham
Place geäußert, auch hatte bisher kein Anzeichen darauf hingedeutet, daß er
mehr als ein oberflächliches Interesse an der Verwaltung seines bedeutenden
Grundbesitzes habe. Bei den Worten Mr. Stokes blitzten seine Augen aber
plötzlich auf, und er rief unwillkürlich: «Meinen Grundbesitz verkaufen? Sie
müssen verrückt sein, nur daran zu denken! Das werde ich nie tun!»
Mr. Stoke
blickte ihn gedankenvoll und mit dem größten Interesse an, was in seltsamem
Kontrast mit dem bescheidenen Ton stand, in dem er jetzt sagte: «Schließlich
legen Eure Lordschaft doch keinen Wert auf Sheringham Place.»
Der
Viscount starrte ihn an. «Zum Teufel, was hat das damit zu tun?» fragte er. «Es
ist meine Heimat, nicht wahr! Du guter Gott, auf Sheringham Place saß seit
undenklich langen Zeiten immer ein Vereist, und nicht einmal mein Großvater
verkaufte einen Fußbreit Land, und wenn es je einen verrückten Menschen gab, so
war er es. Aber nur, weil ich die Gegend nicht mag ...» Er unterbrach sich
plötzlich und erinnerte sich an seine Knabenjahre, bevor sein Onkel Paulett
sich in dem Schlosse breit machte, erinnerte sich an die kameradschaftlichen
Ritte mit seinem Vater durch Felder und Wälder, an Tage, an denen er sich
verstohlen mit seiner alten Vogelflinte weggeschlichen hatte, und an hundert
andere heitere Begebenheiten. Er errötete. «Außerdem lege ich Wert auf Sheringham
Place!» sagte er kurz.
Mr. Stoke
senkte die Augen, in denen plötzlich große Befriedigung zu lesen war. «Eure
Lordschaft finden das Leben auf dem Lande ein wenig langweilig», sagte er.
«Ja, nun –
ach was,
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