Georgette Heyer
vornehmsten
Tonfall: «Ich vermute, Sir, das korrekte Verfahren wäre, wenn Seine Lordschaft
ein Gesuch an Seine Gnaden, den Erzbischof von Canterbury, richten würde.»
«Aber ich
kenne diesen Burschen gar nicht!» protestierte Seine Lordschaft und sah höchst
beunruhigt aus.
Der
Kammerdiener machte wieder eine steife Verbeugung. «Wenn ich mir eine Bemerkung
erlauben darf, Mylord, so möchte ich sagen, daß die persönliche Bekanntschaft
mit Seiner Gnaden nicht die wichtigste Voraussetzung zur Erlangung einer
Speziallizenz ist.»
«Ich werde
dir etwas sagen, Sherry», erklärte sein Cousin mit ziemlicher Entschlossenheit,
«an deiner Stelle würde ich ihm nicht in die Nähe gehen.»
«Sollte
dies Seiner Lordschaft aber nicht genehm sein, Sir, dann möchte ich mir zu
bemerken erlauben, daß meines Erachtens nach für diesen Zweck jeder andere
Bischof ebenso geeignet wäre», sagte Chilham. «Haben Sie noch weitere Befehle,
Sir?»
Mr.
Ringwood winkte ihn eben hinweg, als an der Eingangstür heftiges Klopfen
ertönte. «Nein, nichts. Sollte das jemand sein, der mich zu sprechen wünscht,
so bin ich nicht zu Hause!»
«Sehr wohl,
Sir. Ich werde bemüht sein, den Gentleman abzufangen», sagte Chilham und zog
sich zurück.
Seine
Bemühungen, den Gentleman abzufangen, schienen nicht von Erfolg gekrönt. Denn
der Lärm eines heftigen Wortwechsels drang in den Salon, und einen Augenblick später
stürmte ein auffallend schöner junger Mann in das Zimmer; er war mit Reithosen,
Stulpenstiefeln und einem langschößigen blauen Rock bekleidet und hatte ein
Halstuch ä la Belcher achtlos um den Hals geknotet. Seine üppigen schwarzen
Locken befanden sich in einem Zustand derartiger Unordnung, daß es einer
vorwitzigen Locke gelungen war, über seine Stirn zu fallen. Seine scharfen
dunklen Augen schweiften durch das Zimmer und blieben auf dem Viscount haften.
«Ich wußte es!» sagte er mit bebender Stimme. «Ich sah deinen Phaeton!»
«Wirklich?»
sagte Sherry gleichgültig. «Hat dir Jason wieder einmal deine Geldbörse
stibitzt, dann brauchst du dich nicht aufzuregen. Ich werde ihm befehlen, sie
dir sofort wieder zurückzugeben.»
«Versuche
ja nicht mit mir zu spaßen, Sherry!» rief der Neuankömmling warnend. «Versuche
es ja nicht, sage ich dir! Ich weiß, wo du gestern gewesen bist! Bei Gott! Du
hast dir einen höllischen Vorsprung vor mir verschafft!»
«Nein, das
hat er nicht», sagte Mr. Ringwood. «Komm, setz dich zu uns, George, und um
Himmels willen, nur keine Aufregung wegen nichts und wieder nichts. So ein Kerl
ist mir wahrhaftig noch nie untergekommen.»
«Es gibt
nichts, um sich aufzuregen», sagte Mr. Fakenham, der ebenfalls sein Scherflein
beitragen wollte. «Sherry wird heiraten.»
«Was?»
stieß Lord Wrotham hervor, der geisterhaft bleich wurde und seine wild
rollenden Augen auf den Viscount richtete.
«Nein,
nein, doch nicht Isabella!» versicherte ihm Mr. Ringwood, voller Rührung durch
den Anblick solcher Verzweiflung. «Wahrhaftig, Ferdy, wie kannst du nur? Sherry
heiratet eine andere Dame.»
Lord
Wrotham wankte auf einen Stuhl zu, in den er niedersank. Eifrig bemüht, alles
wieder gutzumachen, schenkte ihm Mr. Fakenham etwas Ale ein und schob ihm den
Pokal zu. George tat einen tiefen Zug und seufzte. «Mein Gott – ich dachte –
Sherry, ich habe dir unrecht getan!»
«Ach, das
macht nichts», sagte der Viscount großmütig. «Habe an zuviel anderes zu denken.
Übrigens tust du das ja ständig.»
«Sherry»,
sagte Wrotham und sah ihn mit einem begierigen Blick scharf an, «ich habe dich
beleidigt! Wenn du Genugtuung wünschst, werde ich sie dir geben.»
«Wenn du
glaubst, daß es mir eine Genugtuung bereiten würde, mich mit dir zu duellieren,
damit du mir ein Loch durch die Brust schießen kannst, dann täuschst du dich
mächtig, George!» sagte Sherry aufrichtig. «Aber ich will dir etwas sagen:
wenn du nicht aufhören wirst, mit deinen besten Freunden Händel zu suchen,
wirst du bald keine mehr haben.»
«Ich glaub,
ich werde noch verrückt!» stöhnte Wrotham und ließ seinen Kopf in die Hände
sinken. «Ich dachte, du wärest nach Kent gefahren, um mir bei der
Unvergleichbaren zuvorzukommen.» Er hob seinen Kopf wieder und richtete einen
seiner glühenden Blicke auf Mr. Fakenham. «Du warst es, der mir das erzählt
hat!» rief er anklagend. «Also, auf Ehre, Ferdy ...»
«Ist alles
ein Irrtum», sagte Ferdy schwach. «Bin am Vormittag nie in guter Form.»
«Aber das
habe ich
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