Georgette Heyer
ungewohnter
Bescheidenheit, daß es am besten wäre, wenn sie sich Gils Händen anvertrauen
würde. Sein Fahrstil sei, wie er zugeben müsse, für eine Lady nicht ganz
geeignet, obwohl er wetten würde, fast alle Fahrer, die ihm auf der Straße
begegneten, in den Schatten zu stellen. Er verpflichtete sich weiters, ihr ein
wirklich sanftmütiges Pferd zu besorgen, außer – hier warf er Mr. Ringwood
einen herausfordernden Blick zu – es wäre jemand hier, der ihn auch als Kenner
von Pferdefleisch nicht gelten ließe.
Mr. Ringwood
beeilte sich, ihm zu versichern, daß er volles Vertrauen in seine Fähigkeit
setze, das richtige Vollblut zu wählen; da nun alle Vorkehrungen für Heros
künftiges Wohlergehen getroffen schienen, steckte er die Visitenkarte wieder
ein und begann sich ebenfalls seinem Souper zu widmen.
6
Am folgenden Morgen bestand die erste
Tat des Viscount darin, seinem Onkel, dem Honourable Prosper Vereist, einen
Besuch zu machen. Dieser Gentleman bewohnte eine Zimmerflucht in Albany, und
da es eine seiner Eigenheiten war, seine Wohnung nie vor Mittag zu verlassen,
wußte sein Neffe, daß er mit Bestimmtheit damit rechnen könne, ihn zu Hause
anzutreffen. Er erfuhr tatsächlich, daß er eben im Begriff sei, ein spätes
Frühstück einzunehmen, und daß sein Kammerdiener den strikten Befehl erhalten
habe, niemanden vorzulassen. Der Viscount überwand dieses Hindernis, indem er
den Diener aus dem Weg schob und ohne weitere Umstände bei seinem Onkel
eintrat.
Der
Honourable Prosper war ein viel zu beleibter Herr, um nicht bequem zu sein,
und so verriet er, außer durch einen Seufzer, den er beim Anblick seines Neffen
ausstieß, durch kein Zeichen den Ärger, den er empfand, zu einer so unpassenden
Stunde gestört zu werden. Er wies lediglich auf einen Stuhl und gab sich weiter
den Genüssen seines Frühstücks hin.
«Es wäre
gut, Sir, wenn Sie diesem Esel von einem Bedienten mitteilen würden, er solle
nicht erst versuchen, mich nicht vorzulassen», beschwerte sich der Viscount und
legte Hut und Stock auf einen Stuhl.
«Ich wollte
aber, daß er dich nicht vorläßt», erwiderte Prosper gemütlich. «Ich habe dich
gern, Sherry, aber ich will verdammt sein, wenn ich mich durch deine
überfallartigen Besuche zu dieser Tageszeit nervös machen lasse!»
«Na, der
wird mich nicht zurückhalten können», sagte Sherry. «Es handelt sich auch nicht
darum, daß ich das Bedürfnis hätte, Sie so oft zu sehen. Kam bloß her, um Ihnen
zu sagen, daß ich gestern geheiratet habe.»
Wenn Sherry
erwartet hatte, daß sein Onkel nun große Überraschung verraten würde, so sah er
sich bitter enttäuscht. Prosper wandte ihm seine matten blauen Augen zu und
sagte bloß: «Ach, wirklich? Na, wahrscheinlich hast du wieder einen Unsinn
angestellt!»
«Durchaus
nicht. Ich habe Hero Wantage geheiratet», sagte Sherry unmutig.
«Habe nie
etwas von ihr gehört», erwiderte Prosper und schenkte sich noch etwas Kaffee
ein. «Dennoch bin ich froh darüber, denn jetzt kannst du dich selbst um deine
Angelegenheiten kümmern. Sie haben mir ständig die größten Sorgen bereitet.»
«Ihnen die
größten Sorgen bereitet!» stieß Sherry hervor. «Also, da hört sich doch alles
auf! Weil Sie sich so viel Mühe damit gegeben haben! Sie überließen doch alles
diesem alten Gauner, meinem Onkel Horace, und wenn der sein Schäfchen nicht ins
trockene gebracht hat, dann fresse ich einen Besen!»
Prosper goß
eine reichliche Portion Sahne in seinen Kaffee. «Ja, ich glaube, darin hast du
recht, Sherry», sagte er. «Das habe ich mir näm lich auch immer gedacht, und
ich kann dir sagen, daß es mir große Sorgen bereitet hat.»
«Warum, zum
Teufel, haben Sie dann nichts unternommen, um es zu verhindern?» fragte Sherry,
begreiflicherweise gereizt.
«Weil ich
zu faul bin», erwiderte sein Onkel mit erfrischender Aufrichtigkeit. «Wenn du
mein Gewicht hättest, dann wüßtest du etwas,
Besseres, als mir derartig verflucht dumme Fragen zu stellen. Übrigens konnte
ich diesen Kerl, den Paulett, nie ausstehen, und wenn ich nicht einem
Schlaganfall erliegen will, dann gibt es nur eines: ihm auszuweichen! Mit
deiner gütigen Erlaubnis, lieber Neffe, aber ich kann keinen Verwandten deiner
Mutter ausstehen, während Valeria selbst – aber das gehört nicht hierher! Aber
sag mal, mein Junge, warum mußt du mich denn um diese Stunde belästigen? Nur
weil du dich fürs Leben gebunden hast?»
«Weil Sie
die Vermögensverwaltung liquidieren
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