Georgette Heyer
heimzukommen.»
«Was hindert sie daran?»
«Masern. Kann doch nicht zulassen,
daß das arme Mädel über und über Flecken kriegt! Es wird jedoch nicht mehr lang
dauern! Wir haben keine Kinder mehr, die sie noch kriegen könnten. William war
der letzte – nein, nicht William! Oder war es Wilfred? Na, ich hab kein
Gedächtnis für Namen, aber jedenfalls der Jüngste.»
«Ist Miss Laleham soweit
hergestellt, daß ich sie besuchen kann?» fragte Rotherham.
«Ich wette, nichts wäre ihr lieber,
aber das Verflixte daran ist, daß es ihrer Großmutter nicht gut geht. Empfängt
momentan nicht. Das heißt, kann sie gar nicht. Sie liegt», sagte Sir Walter,
von seiner Erfindungsgabe selbst überrascht.
Er bemerkte mit Unbehagen, daß ihn
sein Gastgeber in einer unangenehm durchdringenden Art ansah. «Sagen Sie mir
eines, Laleham! Bereut es Miss Laleham, daß sie sich mit mir verlobt hat? Die
Wahrheit, wenn ich bitten darf!»
Das, dachte Sir Walter bitter, war
genau das, warum man Rotherham nicht leiden konnte. Einem verdammt abrupte
Fragen an den Kopf werfen, gleichgültig, ob man gerade in dem Augenblick Sherry
schluckte oder nicht! Keine Manieren, nicht die Spur von Takt! «Gott bewahre
mich!» brachte er heraus, immer noch hustend. «Natürlich nicht! Nichts
dergleichen, Marquis, nichts dergleichen! Himmel, was Sie sich da nur
vorstellen! Es bereuen! Na so was!»
Er lachte herzlich, sah aber, daß
auch nicht die Spur eines Lächelns um Rotherhams grimmig verzogenen Mund huschte.
Seine seltsam strahlenden Augen waren schmal geworden, er schaute abwägend
drein und hielt den Blick viel länger auf das Gesicht seines Besuchers
geheftet, als es Sir Walter für nötig oder manierlich fand.
«Spricht von nichts anderem als
ihrem Brautkleid!» brachte Sir Walter heraus, da er sich gezwungen sah, etwas
zu sagen.
«Erfreulich!»
Sir Walter entschied, daß sein
Besuch lange genug gedauert hatte.
Als Rotherham ins Haus zurückging,
nachdem er seinen Besuch zum Pferd gebracht hatte, das der Stallbursche für ihn
gehalten hatte, war seine Stirn düster gerunzelt. Sein Butler, der an der
Haustür auf ihn wartete, bemerkte es, und sein Mut sank. Er hatte die Hoffnung
gehegt, daß ein Besuch des zukünftigen Schwiegervaters die schlechte Laune
Seiner Lordschaft etwas bessern würde, aber es war deutlich zu sehen, daß dies
nicht der Fall war. Höher auf der Palme denn je! dachte Mr. Peaslake, freilich
völlig unbewegten Gesichts.
Rotherham blieb stehen. Peaslake,
der das beunruhigende Anstarren ertrug, prüfte schnell sein Gewissen, fand es
rein und schwor sich, den neuen Lakai sofort hinauszuwerfen, falls er es schon
wieder gewagt haben sollte, die Lage auch nur einer Feder auf dem Schreibtisch
Mylords verändert zu haben.
«Peaslake!»
«Mylord!»
«Wenn noch jemand kommen sollte,
mich besuchen, solange ich unter diesem Dach weile, so bin ich ausgeritten, und
Er weiß nicht, wann ich zurückkommen werde!»
«Sehr wohl, Mylord!»
An den Befehlen Seiner Lordschaft
gab es nie auch nur die geringste Doppeldeutigkeit, und keiner seiner
Angestellten hätte auch nur im Traum daran gedacht, nur um Haaresbreite davon
abzuweichen, aber dieser Befehl sollte den Haushalt zwei Tage später in eine
verwickelte Lage bringen. Nach vielem Für und Wider, bei dem die einen behaupteten,
er gelte nicht für den unerwarteten Besucher, den der erste Lakai zur
Abkühlung in einem der Salons verstaut hatte, und die anderen versicherten,
daß er ganz bestimmt auch in diesem Falle gelte, starrte Peaslake den ersten
Lakai befehlend an und empfahl ihm, zu gehen und herauszufinden, was Seine
Lordschaft vorzuziehen geruhe.
«Nicht ich, Mr. Peaslake!» sagte
Charles nachdrücklich.
«Haben Sie nicht gehört?» sagte
Peaslake unheildrohend.
«Ich tu's einfach nicht! Ob ich Sie
jetzt gehört habe oder nicht, und wenn es mir auch leid tut, daß ich Ihnen
nicht zu Gefallen sein kann, aber was ich jedenfalls nicht hören will, ist, daß
er mich fragt, ob ich vielleicht taub bin oder nicht Englisch verstehe – danke
schön! Und es ist auch nicht recht von Ihnen, Robert zu schicken», fügte er hinzu,
als das Auge des Butlers auf seinen Kollegen fiel, «nicht nach dem, was heute
morgen geschah!»
«Ich werde Mr. Wilton um Rat
fragen», sagte Peaslake.
Diese Ankündigung fand einstimmigen
Beifall. Wenn ein Mitglied des Haushaltes Aussicht hatte, unbeschädigt zu
entrinnen, wenn Seine Lordschaft in grimmiger Laune war, dann war es sein
Majordomus, der
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