Georgette Heyer
Ritterlichkeit.»
«Woraus?»
fragte sie mit zitternder Stimme.
«Aus
Ritterlichkeit», wiederholte er, ihrem erstaunten Blick mit ernster Haltung
begegnend; doch seine Augen leuchteten so heiter, daß sie das Lachen kaum
verbeißen konnte. «Ein so mitleiderweckender Blick hatte mich getroffen ...»
«Nein!»
protestierte Miss Trent, «nicht mitleiderweckend! Nicht der meine!»
«Mitleiderweckend!»
sagte er erbarmungslos. «Ihre Augen riefen mir < zu Hilfe! > zu. Wie konnte
ich anders, als auf diesen Appell reagieren?»
«Nun werden
Sie noch sagen, daß es Ihnen sehr gegen den Strich ging», sagte sie in
gerechtem Zorn.
«Kein
Dienst, Ma'am, den ich Ihnen erweisen kann, würde mir gegen den Strich gehen!»
Röte stieg
ihr ins Gesicht, aber sie sagte ruhig: «Ich hätte wetten können, daß Sie eine
Antwort parat haben!»
«Sie können
ebensogut wetten, daß es mir damit ernst ist!»
Sie war
plötzlich ein wenig sprachlos und wünschte zum erstenmal, sie hätte mehr
Erfahrung in der Kunst des Flirtens. Zwar lag ein ernster Ton in seiner Stimme,
aber Vorsicht warnte sie, sich von einem Mann von Welt, den sie für einen
Meister des Flirts hielt, hineinlegen zu lassen. Es gelang ihr, wenn auch
zitternd, mit einem Lächeln zu sagen: «Sehr nett gesagt, Sir Waldo. Ich muß es
Ihnen auch hoch anrechnen, daß Sie Tiffany in guter Laune und ganz zahm zu uns
zurückgebracht haben, wahrhaftig ein Triumph!»
«Sie
weichen mir aus?»
Sie schwieg
einige Augenblicke, dann sagte sie mit viel Zurückhaltung: «Ich glaube, Sie
vergessen meine Stellung, Sir!»
«Im
Gegenteil! Ihre Stellung ärgert mich zu sehr, als daß ich sie vergessen
könnte.»
Sie blickte
ihn erstaunt an: «Sie ärgert Sie?»
«Mehr, als
ich ertragen kann! Sie sind erstaunt? Kommt es Ihnen so ungewöhnlich vor, daß
ich Sie ungern in einer solchen Stellung sehe?»
«Guter
Gott!» rief sie. «Sie glauben wohl, ich sei eine der unglücklichen
Gouvernanten, die sich für vierundzwanzig Pfund im Jahr abplagen? Das bin ich
nicht, ich bin wirklich sehr teuer!»
«Das sagten
Sie mir schon einmal.»
«Es ist
auch wahr! Ich prahle nicht gerne, aber ich will nicht, daß Sie glauben, ich
friste eine elende Existenz aus Mitleid. Man zahlt mir 150 Pfund im Jahr!»
«Mein liebes
Kind, und wenn Sie zehnmal soviel bekämen, es machte mir keinen Unterschied.»
«Das zeigt,
daß Sie wenig davon verstehen! Ich versichere Ihnen, das ist ein großer
Unterschied. Frauen, die hoch bezahlt sind, werden nicht wie Dienstboten
behandelt.»
Mrs.
Underhill sagte, die arme Lizzie tue ihr schrecklich leid, aber überrascht sei
sie nicht. Sie und Charlotte hatten miteinander Sträucher gepflanzt, es war
sehr heiß gewesen, und diese Arbeit hatte sie sehr erschöpft.
Miss Trent
erwähnte Tiffanys Ausbrüche nicht, aber Courtenay gab seiner Mutter einen
vollen und empörten Bericht. Er bezeichnete seine Cousine als
eine veritable Hexe, deren er sich schäme. Sie sollte endlich aufhören, ihre
Netze nach Lindeth auszuwerfen, denn der größte Dummkopf könne sehen, wie
schändlich er ihr Benehmen finde.
Mrs.
Underhill hielt das alles für schrecklich, aber sie vertraute Miss Trent an,
daß jede Wolke ihren Silberstreifen habe: «Nun, meine Liebe, Courtenay
sagte mir, daß Seine Lordschaft recht entsetzt war, so daß ich mich frage, ob
er sich nicht daraufhin in die Büsche schlagen wird. Hoffentlich hat sie ihn
angewidert, denn es gibt nichts, was Männer mehr hassen als den Staub, den
Tiffany aufwirbelt, wenn sie Szenen macht. – Glauben Sie nicht auch?»
Miss Trent
stimmte zu. Sie glaubte allerdings auch, daß Courtenays Widerwille stärker war
als der Lord Lindeth' – aber das sagte sie nicht.
«Und ich
bin sicher, Sie waren froh, daß Sir Waldo sie daran hinderte, weiterzureiten,
und sie mit nach Bardsey genommen hat. Obwohl ich nicht
sicher bin, daß ihm gerade das gelegen kam.»
Der
Grundton dieser Anspielung war nicht mißzuverstehen. Miss Trents schöne Augen
blickten sie unwillkürlich fragend an.
«Mein Gott!
Als ob ich so beschränkt wäre, daß ich nicht wüßte, um wieviel lieber Sie ihm
gewesen wären», sagte Mrs. Underhill mit fettem Kichern.
«Glauben Sie mir, ich dachte anfangs, daß er sich für Tiffany interessiere;
aber wenn ich auch keine Büchergelehrsamkeit besitze, habe ich doch genug
Grütze im Kopf, um zu sehen, daß er sich für Sie interessiert.»
«Sie irren
sich, Ma'am, Sie müssen sich irren!» stammelte Ancilla.
«Nun, das
habe ich
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