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Gepeinigt

Titel: Gepeinigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Saunders
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hart arbeiten. Natürlich fiel ihr bei diesem Thema sogleich wieder Spencer Gray ein und wie sie sich zur Idiotin gemacht hatte. Sie schüttelte den Kopf, schüttelte die unangenehmen Gedanken ab. Dafür hatte sie jetzt keine Zeit. Sie musste sich überlegen, wie sie sich Mary gegenüber verhalten sollte. Das Polizeirevier von Mount Dempsey war zu klein, da konnte man sich nicht aus dem Weg gehen.

11:45 Uhr
    Mary hatte sich von dem Taxi einen halben Block vor dem Polizeirevier absetzen lassen und war trotz ihrer geschwollenen Füße zu Fuß dorthin gehumpelt. Diese Zeit brauchte sie. Sie konnte unmöglich einfach dort hineinmarschieren. Sie hatte sich auf ihre Wut konzentriert, hatte ihren Zorn heraufbeschworen, um sich für die Abscheulichkeiten zu wappnen, die sie möglicherweise erwarteten.
    Und es war ihr nicht schwergefallen.
    Ihr Zorn hatte bereits während ihres kurzen Gesprächs mit ihrer Mutter zu schwelen begonnen. Sie hätte ebenso gut gleich direkt mit ihrem Vater reden können. Die Worte ihrer Mutter kamen verzögert, ergaben keinen Sinn. Es war eindeutig, dass sie lediglich das nachplapperte, was ihr Mann ihr eingetrichtert hatte. Immerhin war das Gespräch rasch
vorbei gewesen, und zum Schluss hatte sie sich noch einmal mit scharfer Stimme jeglichen weiteren Kontakt verbeten.
    Und dann das Meeting – mehr ein Verhör – mit den Oberbossen, Abrahams, Sturz und einem Idioten namens McKnight, der darauf bestand, eine Risikoeinschätzung vorzunehmen. Am Ende hatte sie zwar keine neue Dienstwaffe bekommen, aber ihren Job wiederaufnehmen dürfen. Wofür sie dankbar sein sollte, wie man ihr signalisiert hatte. Was sie, als schlechte Schauspielerin, alles andere als überzeugend hinbekam. Sturz hatte sich hinterher erboten, sie zu seinem Büro zurückzubegleiten, das direkt neben ihren Diensträumen lag. Zu seiner Erleichterung, wie es ihr schien, hatte sie sein Angebot abgelehnt.
    Und jetzt hieß es, sich allen anderen zu stellen. Abermals suchte sie Zuflucht in ihrer Wut. Ihre Miene verdüsterte sich, sie schürzte die Lippen, ein Mundwinkel hob sich verächtlich, ihre Augen trübten sich zu einem matten Braun, auf ihrer Stirn tauchten Falten auf, die letzte Woche noch nicht dort gewesen waren. Die Botschaft war klar: Legt euch nicht mit mir an. Sie holte mehrmals tief Luft, das Blut rauschte in ihren Ohren, in ihrem Körper kribbelte es. Mit hoch erhobenem Kopf näherte sie sich der Verbindungstür zur Abteilung. Jeder Schritt war eine Qual, aber sie fühlte sich dadurch wenigstens lebendig. Die Uniformierten ließen sie in Ruhe, nickten ihr nur dann zu, wenn sie sie herausfordernd anschaute und sie dabei erwischte, wie sie sie anstarrten.
    Einen Moment lang kam es ihr fast so vor, als wäre sie wieder im Bunker. Als würde sie im Dunkeln nach etwas Greifbarem herumtasten, nach etwas, das ihr die unwichtige Kleinigkeit des Überlebens ermöglichte.
    In einiger Entfernung kam Claudia soeben aus der Toilette
und verschwand im Dienstraum. Mary hatte sich noch nicht entschieden, was sie von der Jüngeren halten sollte. Kräftig gebaut, trug sie meist irgendwelche pastellfarbenen Blazer und Hosen, die teilweise überhaupt nicht mit ihren roten Haaren harmonierten. Das war die einzige Meinung, die sie sich bisher über sie gebildet hatte. Um ehrlich zu sein, hatte sie es nicht für wichtig genug gehalten, weiter über Claudia nachzudenken, nachdem sie instinktiv erkannt hatte, dass sie keine Bedrohung für sie darstellte. Mehr noch, als neues, unerfahrenes Teammitglied suchte Claudia wahrscheinlich nach einem Mentor. Alle Neuen suchten jemanden, der sie unter seine Fittiche nahm. Mary wusste, sie war nicht der Typ dafür.
    Hätte Claudia einen dunklen Kleidungsstil gewählt, wäre sie aggressiver, lauter, eigenwilliger – mehr wie sie, Mary -, dann hätte sie der Frau sicherlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Und das hätten auch die anderen im Team.
    Sie ging an den Toiletten, den Besprechungszimmern und an Sturz’ derzeit leerem Büro vorbei und durch die Automatiktür. Tina Goodall blickte in ihrem Kabäuschen auf, schaute gleich wieder auf ihren Bildschirm, registrierte dann, wen sie gesehen hatte, und hob erschrocken den Kopf.
    Mary nickte ihr knapp zu und richtete ihren Blick sogleich wieder auf die Tür vor ihr, womit sie jeden möglichen Wortwechsel effektiv abwürgte. Vor

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