Gequält
Gegenteil.«
Bengt atmete hektisch. Er trank einen großen Schluck Wein und lehnte sich gegen die Spüle. Åsa bemerkte seine verärgerten Bewegungen und wandte sich ab.
»Du musst entschuldigen, aber ich kann mich jetzt nicht mit dir unterhalten. Aus privaten Gründen. Nein, wir reden ein andermal darüber. Ich rufe dich an. Ciao.«
Sie beendete das Gespräch und kehrte in die Küche zurück.
»Entschuldige«, sagte sie.
»Lass mich raten. Ein Autor? Was war denn jetzt schon wieder? Eine schlechte Kritik?«
»Einige Wochen lang hat sich gar nichts getan, und jetzt kam ein Verriss.«
»Und?«
»Er befürchtet, dass das weitere schlechte Kritiken nach sich ziehen könnte.«
Bengt sagte nichts.
»Das kommt vor«, meinte Åsa. »Alle Kritiker googeln, was die anderen geschrieben haben, ehe sie selbst eine Meinung äußern. Eine gute erste Rezension ist keine Garantie, aber mit dem ersten Verriss ist ein Buch vogelfrei.«
Bengt stellte sein Glas ab. Åsa sah, wie sich sein Brustkorb hob und senkte.
»Unser Sohn wurde in seiner Wohnung überfallen und misshandelt, und du tröstest einen Autor, dessen garantiert lausiges Buch eine schlechte Kritik bekommen hat?«
Åsa schaute zu Boden. Bengt ging zur Spüle und schüttete seinen Wein aus.
»Was sollen wir tun?«, fragte er und verschränkte die Arme.
»Tun?«, fragte Åsa vorsichtig.
Bengt schien förmlich zu kochen.
»Ich rede mit dir. Was sollen wir tun?«
Åsa ging zum Küchentisch und ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. Sie hob eine zitternde Hand ans Gesicht. Bengt ließ sich nicht beeindrucken.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie.
»Du weißt es nicht? Na, dann sind wir ja zu zweit. Wie kannst du einfach so abschalten?«
»Abschalten?«
»Irgendein Idiot ruft dich an, und ich suche deinen Blick, aber du wendest dich ab, um meiner Frage zu entgehen.«
»Welche Frage?«
»Wer der Anrufer ist. Unser Sohn liegt im Krankenhaus. Ich gehe davon aus, dass jedes Klingeln was damit zu tun hat.«
»Ich habe telefoniert.«
»Du telefonierst. Ich versuche deinen Blick einzufangen, und du wendest dich ab.«
»Was sollte ich tun? Ich habe das Gespräch so schnell wie möglich beendet.«
»Du hättest mir ein Zeichen geben können, dass es weder das Krankenhaus noch die Polizei ist. Du hättest die Augen verdrehen, den Kopf schütteln, was auch immer tun können, nur nicht dich abwenden. Das ist nicht normal, das ist nicht gesund.«
»Er war fertig mit den Nerven.«
»Unser Sohn liegt im Krankenhaus. Ich will wissen, was wir tun sollen.«
Bengt holte ein neues Glas und goss Wein ein. Åsa beobachtete ihn.
57
Conny Bladh hatte keinen Fernseher und kein Radio. Die einzige Unterhaltung war das regelmäßige Stöhnen jenseits der Wand.
Draußen begann es hell zu werden, und das Geschäft auf der Straße neigte sich seinem Ende zu. Conny kannte ein paar der Typen vom Sehen, glaubte er zumindest. Auf die Entfernung war es schwer zu erkennen, und außerdem war es egal. Alle Dänen hießen Preben, hatten rote Haare, trugen Eskimojacken und fuhren schwarze Fahrräder. Sie waren sich zum Verwechseln ähnlich und durchweg schlechte Menschen, das ließ sich nicht schönreden. Sie setzten ihre Ehre darein, die Schweden zu betrügen. Aber die Frauen wussten, was sie taten. Schwedische Luder versuchten es nicht einmal. Mangelnde Konkurrenz, dachte Conny. In Dänemark war es legal, da prügelten sie sich um die Freier. In Schweden lagen sie wie tote Fische da und starrten an die Wand. Die Däninnen fuhren ihre Krallen aus und packten zu. Großer Unterschied. Er bekam Lust auf eine letzte Runde. Die Schläge gegen die Wand beschleunigten sich und endeten dann abrupt. Vielleicht konnte er sie ja abfangen, wenn sie das Nachbarzimmer verließ?
Er versteckte das Gewehr, nahm ein paar Geldscheine aus dem Rucksack, legte ein Ohr an die Wand und versuchte, die Geräusche auf der anderen Seite zu deuten. Die Frau war aufgestanden. Der Freier lag noch im Bett. Sie zog sich an, er redete. Ihre Antworten waren kurz. Conny konnte den Wortlaut nicht verstehen. Das Bett quietschte, als sich der Kunde ebenfalls erhob. Die Nutte verabschiedete sich. Conny ging zur Tür. Er hörte rasche Schritte auf hohen Absätzen. Als sie an seiner Tür vorbei war, öffnete er sie vorsichtig und schaute durch den Spalt.
Eine Frau, die er noch nie gesehen hatte. Gut.
»Hast du Zeit?«
Sie blieb stehen und drehte sich um. Conny hielt die Tür auf und wedelte mit den in der Mitte gefalzten
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