Gequält
weiterarbeiten, seinen Schwachsinn schreiben? Welches Blatt will ihn dann noch haben, wenn er jetzt zu Kreuze kriecht?«
David schaute auf die Uhr und schmierte sich ein Brot.
»Immerhin lebt er noch«, sagte er und biss im Stehen ab.
Calle hielt die Zeitung in die Höhe und las die Überschrift laut vor.
» Das ist nicht der Täter? Hätte er nicht wenigstens sagen können, dass er den Täter nicht gesehen hat, dass alles so schnell ging, dass er nicht mit Sicherheit sagen kann, wer es war. Egal, was, nur das nicht.«
David schluckte den letzten Bissen herunter.
»Dir bleibt die Zeugenaussage erspart. Sieh es einmal so. Ich muss gehen.«
Calle legte die Zeitung beiseite und begleitete ihn zur Tür.
»Jetzt sehen wir uns ein paar Tage lang nicht.«
»Nein.«
»Vielleicht stolpere ich ja, verletze mich und muss mich akut behandeln lassen.«
»Du weißt, wo du mich findest.«
»Ich … «, begann Calle, hielt aber mitten im Satz inne.
David sah ihn an.
»Du … ?«
»Nichts«, sagte Calle und schüttelte den Kopf. »Ich will nichts überstürzen, das geht nur den Bach runter.«
David lachte kurz, sah ihn ernst an und nickte.
»Geht mir genauso«, sagte er.
Calle umarmte ihn.
»Bis in ein paar Tagen.«
»Vorher telefonieren wir aber noch. Ciao.«
Calle schloss hinter ihm die Tür ab und ging zurück in die Küche. In seinem Bauch kribbelte es euphorisch, gleichzeitig beschlich ihn ein Gefühl von Untergang. Er musste sich beherrschen, durfte nichts überstürzen. Weil sonst alles zum Teufel ging. Oder täuschte er sich?
Im Übrigen war das vollkommen lächerlich. Nichts war flüchtiger als Verliebtheit. Jeder zynische Romantiker wusste, dass Beziehungen durch Erpressung, Schuld und Scham zusammengehalten wurden.
Calle holte sein Handy und rief Jörgen an. Sie hatten kurz telefoniert, nachdem Anders Malmberg verprügelt worden war.
»Ich vermute, dein Loverboy ist gegangen, weil du jetzt plötzlich Zeit für mich hast.«
»Hast du die Zeitung gelesen?«, fragte Calle. »Anders knickt ein. Er traut sich nicht, auszusagen.«
»Suspekt.«
»Nicht suspekt, sondern feige. Wieder so ein Schreihals, der nur an der Tastatur mutig ist. So geht das nicht. So ruiniert er seine Karriere.«
»Du solltest vielleicht nicht so hart über einen Mann urteilen, dem man die Finger gebrochen hat.«
»Das spielt keine Rolle, von so was darf man sich nicht einschüchtern lassen.«
»Vielleicht war es ja wirklich nicht der Typ, den du gesehen hast.«
»Hör schon auf. Du weißt sehr gut, dass er es war. Wer hätte es sonst sein sollen?«
»Vielleicht hat er einen Freund damit beauftragt und auf der Treppe gewartet, während die Arbeit gemacht wurde.«
Calle zögerte. Jörgen konnte recht haben. Es war möglich, dass Matte jemanden beauftragt und Wache geschoben hatte, während Anders verprügelt wurde. Anschließend hatten Matte und sein Kumpan das Haus getrennt verlassen, um nicht aufzufallen.
»Ich muss mit ihm reden«, sagte Calle.
»Mit wem?«, fragte Jörgen.
»Mit Anders. Ich will wissen, was passiert ist.«
61
Anders Malmberg war weder im Krankenhaus noch zu Hause in seiner Wohnung. Calle vermutete, dass er nach allem, was er erlebt hatte, zu seinen Eltern gefahren war. Calle suchte die Adresse der Eltern heraus und nahm ein Taxi nach Bromma.
Åsa öffnete.
»Ja?«
Sie ließ die Türklinke nicht los und sah ihn an, als sei er ein Hausierer.
»Hallo, ich würde gerne ein paar Worte mit Anders wechseln.«
»Ich glaube nicht, dass er daran interessiert ist.«
»Ich habe die Zeitung gelesen«, sagte Calle. »Ich weiß, dass Anders ausgesagt hat, Mattias Svensson sei nicht der Täter. Ich weiß aber, dass er dort war.«
Åsas Miene drückte Trauer aus.
»Ich weiß nicht, ob er es war, der Anders misshandelt hat«, fuhr Calle fort. »Aber selbst, wenn es jemand anders war, war Mattias trotzdem dort. Ich habe ihn aus Anders’ Haus kommen sehen. Er muss irgendwie in die Sache verwickelt sein.«
Bengt tauchte hinter Åsa auf, stellte sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Schultern.
»Hallo«, sagte Calle.
Bengt nickte kurz.
»Entschuldigen Sie die Störung, aber … Wenn Anders jetzt klein beigibt, dann kommt er nicht mehr auf die Beine.«
»Was wollen Sie?«, fragte Bengt.
»Ich würde gerne mit Anders sprechen.«
»Er ruht sich aus.«
»Ich habe ausgesagt«, meinte Calle. »Mich hat man auch bedroht.«
»Unserem Sohn hat man in seinen eigenen vier Wänden das Nasenbein und
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