Geraeuschkiller - Mutige Liebe
Musik
nicht und verboten mir, Ramida zu treffen!«
Er runzelte
die Stirn. »Wir besuchten dasselbe Internat. Ich ging nach der Schule heim, sie
blieb über Nacht im Internat, denn ihre Mutter war oft wochenlang auf Tournee.
Ich holte Ramida nachmittags immer ab … mit Waowur … Waowur? Wie komme ich auf
den Namen? – Ja, … so hieß mein Pferd!«
Am Fenster
blieb er stehen und schaute versonnen in den Garten. »Waowur … mein scheckiger
Hengst. Ich habe ihn aus dem Zirkus geholt – sie hatten ihn zur Schlachtung
freigegeben, weil er lahmte. Ich habe ihn gesund gepflegt … Wie konnte ich das
alles nur vergessen?«
Er
schüttelte den Kopf. »Weißt du, ich hob Ramida mit ihrer Glosumia auf seinen
Rücken und wir ritten hinaus auf die Wiesen vor der Stadt. Die Zeit verging so
schnell mit ihr.« Er lächelte. »Sie hat sich nie von ihrer Glosumia getrennt.
Stell dir vor, sie schlief sogar mit ihr. Wenn das Ding nicht neben ihrem Bett
stand, konnte sie nicht einschlafen.«
Seine
Stimme klang sehr erregt: »Clara, wenn du die Geräusche errätst, dann erinnere
ich mich vielleicht an mehr!«
Er
verschlang das Smaragg mit seinen Blicken. »Und da war dieses … dieses Grollen,
Clara.«
»Ja«, sagte
sie und schwieg.
»Was … ?«
Sie
unterbrach ihn. »Es klang wie …«. Die Worte blieben ihr im Hals stecken. »Wie
ein Erdbeben … und auch wieder nicht …«, flüsterte sie.
»Ja, so
ähnlich hat es geklungen … Was war das nur? «
»Ich ...
ich weiß es nicht …«
Dragus
Gesicht nahm wieder diesen seltsamen leeren Ausdruck an, als hätte jemand alles
Leben daraus weggewischt. Er ging unruhig auf und ab. Plötzlich blieb er stehen
und sah Clara scharf an. »Du bleibst hier! Rühr dich nicht vom Fleck,
verstanden?« Hastig verließ er das Zimmer.
Clara
hörte, wie sich draußen der Schlüssel in der Haustür drehte. Er sperrte sie im
Haus ein! - Sie sah ihn am Fenster vorbei im Dickicht verschwinden.
Er konnte
sie doch nicht allein lassen! Es überraschte sie, dass sie diesen Mann, den sie
anfangs verabscheut hatte, jetzt vermisste. Wollte er sie bestrafen, weil sie
versagt hatte?
Sie
betrachtete das grüne Smaragg. Es klebten noch Spuren des roten Siegels daran.
Wieder spürte sie diesen Sog, als würde es sie in unendliche smaragdene
Tiefen hinab ziehen. Diesmal wandte sie die Augen nicht ab.
»Was ist
dein Geheimnis?«, flüsterte sie, »Was ist es?«
Sie summte
nervös vor sich hin undfischte ein paar Himbeeren aus ihrer
Proviantdose. Das vertrieb ein wenig ihre Angst.
Plötzlich
hörte sie hinter der Zimmertür Schritte. Sie kamen vom Flur.
Sie
horchte. Das waren nicht Dragus Schritte. Da war noch jemand im Haus! Die
Schritte klangen schwerfällig, als würde jemand ein Bein nachziehen. Sie
blieben dicht hinter der Tür stehen.
Clara
lauschte atemlos. Ein paar Himbeeren kullerten auf den Boden. Wer war da noch im
Haus? Sie rührte sich nicht.
Draußen war
nichts mehr zu hören.
Er wird die
Tür aufmachen und ...! Sie biss sich in ihrem Daumenknöchel fest, um nicht zu
schreien vor Angst. Stell dich tot! Er darf dich nicht hören!
Es dauerte
endlos lange, bis sich draußen vor der Tür wieder etwas regte. Die Dielen
knarrten, und die Schritte entfernten sich schleppend.
Allein
Clara
starrte gebannt auf die Tür. Ihre Gedanken überschlugen sich. Was, wenn der
Fremde zurückkommen würde? Erst jetzt sah sie, dass der Zimmerschlüssel von
innen steckte.
Sie
lauschte.
Im Haus war
es still.
Nur ihren
hastigen auf panischen Atem hörte sie. Wie hypnotisiert starrte sie auf den
Schlüssel. Sperr zu!, schrie es in ihr. Sperr die Tür zu! Dann kann er nicht
herein. Dann bist du sicher hier drin. Sie hielt die Luft an, stakste steif vor
Furcht auf die Tür zu und drehte den Schlüssel im Schloss. Er blockierte und
ächzte. Es kam ihr so vor, als dröhnte er so laut wie ein Lkw-Motor.
Er wird es
hören, dachte sie, er wird es hören! Gleich steht er hinter der Tür ... !
Panisch
rüttelte sie an dem Schlüssel. Plötzlich gab er nach. Sie lehnte sich mit dem
Rücken an die Tür und rutschte zu Boden. Geschafft!
Der Tisch
und die Stühle warfen lange Schatten im Licht der Nachmittagssonne, deren
Strahlen durch das kleine Fenster schräg in die Bibliothek einfielen. Wie
Scheinwerfer beleuchteten sie die weißen Smaraggs, die nebeneinander und hintereinander aufgereiht
in den Regalen lagen . Clara betrachtete sie
aus sicherer Entfernung. Zum ersten Mal war sie allein mit ihnen.
Mit
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