Gerechte Engel
sich. »Nein. Die naheliegende Lösung ist gewöhnlich auch die richtige. Wenn jemand versucht, diesen Film zu sabotieren, dann die Bullochs.«
»Die Töchter von Alexander und Enkelinnen von Consuelo«, erklärte Justine mit ausladender Geste.
»Sie können sich einfach nicht vorstellen, wie viele Recherchen ich für das Drehbuch angestellt habe«, sagte Flurry. »Die Story ist einfach toll. Die Bullochs haben jedoch entsetzliche Angst, dass das, was ich herausgefunden habe, die Behörden zwingen könnte, den Fall wiederaufzunehmen.«
»Das wäre vermutlich eine ziemliche Sensation«, sagte Bree.
» Man hat den Falschen hingerichtet , verstehen Sie?« Flurry sprang auf, um erregt auf und ab zu laufen. »Ich habe ein ganzes Jahr damit verbracht, mir die Gerichtsprotokolle, den Polizeibericht und die Zeugenaussagen von damals anzusehen. Ich habe sogar einen alten Knaben ausfindig gemacht, der an dem Fall mitgearbeitet hat. Robert E. Lee Kowalski, Eddie O’Malleys Sergeant. O’Malley war der Cop, der von Bagger Bill Norris ein Geständnis erzwungen hat. Kowalski lebt in einem Pflegeheim bei Tybee Island. Er ist jetzt hundertdrei Jahre alt oder so, erinnert sich aber an den Fall, als sei es erst gestern gewesen. Ich habe ihn schon mehrmals aufgesucht und werde noch ein paar Mal zu ihm rausfahren.«
»Vierundneunzig«, sagte Mercury. »Kowalski ist vierundneunzig.«
Flurry hatte jetzt ein fanatisches Leuchten in den Augen. »Damals wurden Schmiergelder gezahlt. Bestechungen an den richtigen Stellen. Um Bagger Bill Norris zu linken und auf den elektrischen Stuhl zu befördern. Und all dies nur, damit der wahre Mörder ungeschoren davonkam.«
Bree hatte vorübergehend die Orientierung verloren. »Bagger Bill war …«
»Der Mörder«, ergänzte Justine. »Ihm gehörte der Tropicana Tide Nachtclub. Falls du den nicht auch erfunden hast, Flurry. Kann mich nicht erinnern, je davon gehört zu haben, obwohl ich aus Savannah stamme.«
»Das liegt daran, dass du zu behütet aufgewachsen bist«, erwiderte Flurry. »Norris war Haydees Zuhälter«, fuhr Flurry, an Bree gewandt, fort. »Sicher kein Ausbund an Tugend. Und trotzdem hat er Haydee nicht getötet. Ich meine, warum sollte er die Gans schlachten, die die goldenen Eier legt?«
»Und wer war dann der Mörder?«, fragte Bree.
»Consuelo Bulloch.« Mit triumphierender Miene nahm Flurry wieder Platz. »Alexanders grässliche Mutter.«
»Unsinn«, sagte Justine. »Absoluter Unsinn.«
Bree zog die Augenbrauen hoch. »Können Sie das beweisen, Flurry?«
»Nein. Noch nicht. Aber ich bin nah dran. Das wird alles in meinem Buch stehen.«
»Wird Consuelo in Ihrem Film unverhohlen des Mordes beschuldigt? Falls ja, kann ich verstehen, warum die Bullochs so aufgebracht sind.«
»Wird sie nicht«, erklärte Mercury kategorisch. »Das Ende ist mehrdeutig. Mein Film setzt sich intensiv mit dem Verhältnis von Illusion und Wahrheit auseinander. Deshalb ist die ganze Geschichte mit Haydees Geist ja auch ein solcher Knüller.«
»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen«, gab Bree zu.
»Phillip vermutet, dass Haydee nach Gerechtigkeit trachtet. Dass sie versucht, mit uns – über Tyra – zu kommunizieren, damit wir den wahren Mörder finden.« Flurry stieß ein Schnauben aus. »Warum kommuniziert sie nicht gleich mit mir, wenn ihr an Aufklärung gelegen ist? Ich meine, Tyras IQ ist nicht viel höher als die Zimmertemperatur. Ich würde annehmen, dass sich ein Geist ein etwas schlaueres Medium aussucht.«
Bree sah Justine an, die gleichgültig die Achseln zuckte. »Wann manifestiert sich Haydees Geist denn?«, fragte Bree Flurry. »Passiert so was auch, wenn Tyra allein ist?«
Flurry grinste. »Ohne Publikum macht Tyra nur sehr wenig. Warum fragen Sie sie nicht einfach selbst?«
»Werd ich wahrscheinlich auch tun«, erwiderte Bree. »Ich mache mir nämlich Sorgen um das Wohlergehen meiner Klientin.«
Justine strich über die blauen Flecken an ihrem Hals. »Ich glaube nicht an Geister. Ich glaube vielmehr, dass diese kleine aufgeblasene Nutte mich einfach fertigmachen will. Wenn Sie …«
»Tyra will dich nicht fertigmachen«, fiel ihr Mercury genervt ins Wort. »Das haben wir alles schon so oft durchgekaut, dass ich allmählich die Nase voll habe. Diese Anfälle … na ja … gegen die kann sie einfach nichts machen. Vielleicht steckt Haydees Geist dahinter, vielleicht auch nicht. Falls ja, so hätten wir jedenfalls, denke ich, ein großartiges Ende für den
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