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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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Üblicherweise ist sie ein Epiphänomen der Überzeugung, daß wir so leben, wie wir leben sollten.
15 Natürlich gibt es Freuden, die einfach nur sind, was sie sind, nämlich die sogenannten Freuden des Körpers, die in gewisser Hinsicht auch andere Tiere kennen und die zum Beispiel mit Sex oder der Nahrungsaufnahme verbunden sind. Die meisten Spielarten der Freude sind aber kein Schauer reiner Empfindungen, der nichts mit unseren Überzeugungen über die Quelle der Freude zu tun hat – und das gilt auch im Fall von Essen und Sex.
16 Wir haben nicht einfach Freude, sondern wir haben Freude an etwas, und oft gehört dazu, daß wir es für gut halten, an dieser Sache Freude zu haben – als Bestandteil einer richtigen Lebensweise. Es stimmt natürlich, daß bestimmte Freuden »ungehörig« sind, die wir dann gerade aus dem umgekehrten Grund genießen: weil wir wissen, daß wir das nicht tun sollten. Wir erleben Freude also fast immer als auf irgendeine Weise von ethischen Erwägungen durchdrungen.
    Man kann diese Tatsache mit eindrucksvollen – und oft ziemlich lustigen – Beispielen illustrieren: Es gibt Menschen, die sich abmühen, raffiniertes und teures Essen schätzen zu lernen, weil sie jemand sein wollen, der diese Gerichte genießt. Und selbst wenn man sich unmittelbar zu einer bestimmten Aktivität hingezogen fühlt, die als außerordentlich angenehm empfunden wird, zehrt die mit ihr verbundene Freude in erheblichem Maße von komplexeren ästhetischen Urteilen. Denken Sie etwa daran, wie Skifahrer beschreiben, warum dieser Sport so aufregend ist: Sie sprechen nicht von der damit einhergehenden Endorphinausschüttung, sondern von den körperlichen und visuellen Eindrücken der Tätigkeit selbst. Philosophen weisen gerne darauf hin, daß niemand nach einer Freude strebt, die unabhängig von dem entsprechenden Ereignis wäre:
352 Kein Skifahrer würde eine Stunde auf der Piste dagegen eintauschen, zwei Stunden an eine Erfahrungsmaschine angeschlossen in einem Labor zu verbringen.
17 Es stimmt natürlich, daß manche Menschen stolz darauf sind, sich selbst als Hedonisten zu bezeichnen: Sie denken, man könne daran, wie erfolgreich sie nach Genuß und der Kultivierung ihrer Freuden gestrebt haben, ablesen, wie gelungen ihr Leben (gewesen) ist. Manche von ihnen sind der Ansicht, ihr Leben sei schlechter gewesen, weil sie nicht genug Freude erfahren haben. Dieser Hedonismus-als-Sinn-des-Lebens, wie wir ihn nennen können, ist aber keine Alternative dazu, eine gelungene Lebensführung für wichtig zu halten, sondern nur eine zu Unrecht populäre Antwort auf die Frage, was eine gelungene Lebensführung ist. Wäre dem nicht so, könnten diese Menschen nicht bedauern, bestimmte Freuden verpaßt zu haben, denn das ist nur als Bedauern eines eigenen Versagens verständlich.
    Vielleicht würden Sie meine Frage aber sehr viel knapper damit beantworten, daß Sie nun mal einfach wollen, was Sie wollen, ohne weitere Gründe anzugeben. Sie denken nicht, daß Ihr Leben irgendeine Bedeutung hat oder daß es für Sie eine richtige und eine falsche Weise gibt, Ihr Leben zu führen. Sie wollen einfach zufällig auf diese bestimmte Weise leben. Außerdem lieben Sie ebenso zufällig Cashewnüsse. Wenn man Ihnen welche anbietet, können Sie nicht widerstehen. Ihre Lebenspläne und Vorhaben sind gewissermaßen einfach weitere sehr viel größere Cashewnüsse. Diese wenig anspruchsvolle, auf krude Weise subjektive Interpretation Ihres eigenen Verhaltens stellt tatsächlich eine wirkliche Alternative zu der ambitionierteren Position dar, die ich vorgeschlagen habe. Aber können Sie sie wirklich akzeptieren? Haben Sie nicht in Wirklichkeit ein elaborierteres Selbstverständnis – ein Gefühl dafür, wer Sie sind, das sie in Ihren Entscheidungen und in Stilfragen leitet und das vielleicht sogar darin zum Ausdruck kommt, ob Sie Martinis oder Bier bevorzugen? Ja, könnten Sie antworten, ich habe ein solches Selbstbild. Sie wollen nicht nur bestimmte Dinge,
353 Nüsse zum Beispiel, sondern auch auf eine bestimmte Weise existieren. Sie haben diesen Wunsch einfach in sich vorgefunden. Doch diese Antwort mißversteht, was mit dem Selbstverständnis einer Person eigentlich gemeint ist. Selbstbilder – Entscheidungen für eine bestimmte persönliche Identität – sind deswegen so wichtig, weil sie nicht einfach aus den Wünschen, die wir in uns entdecken, zusammengesetzt werden, sondern aus dem, was wir für gut und richtig halten.

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